Und täglich pikst der IGeL
Selbstzahlerleistungen bringen vielfach mehr Schaden als Nutzen – zu diesem erstaunlichen Ergebnis kommt der „IGeL-Monitor“ des Medizinischen Dienstes des GKV-Spitzenverbandes (MDS). Er stellte jüngst seine aktuelle Liste mit den zehn häufigsten individuellen Gesundheitsleistungen vor. An der Spitze dieser Top 10: Angebote, die der IGeL-Monitor als „negativ“ oder „tendenziell negativ“ bewertet.
Zu den am häufigsten erbrachten Leistungen gehört demnach die Messung des Augeninnendrucks zur Glaukomfrüherkennung. Diese Untersuchung wurde nach einer Umfrage unter mehr als 2000 Versicherten jedem fünften (22 %) angeboten, gefolgt vom Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung (19 %). Weitere gerne offerierte Leistungen sind demnach der Ultraschall der Brust (12 %) und der PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs (7 %). All diese Untersuchungen stuft der IGeL-Monitor als „negativ“, „tendenziell negativ“ oder bestenfalls „unklar“ ein.
Diese Einschätzung können Ärzte nicht unwidersprochen stehen lassen. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Andreas Gassen, spricht von „Verleumdungen“ und von „stumpfsinniger Stimmungsmache gegen uns Ärzte“.
BVA zweifelt an der Methodik der MDS-Statistik
Auch Organisationen wie der Berufsverband der Augenärzte (BVA) als der Vertreter der angeblichen Hauptübeltäter wehren sich gegen die mit großer medialer Begleitmusik vorgetragene IGeL-Diffamierung. Als Glaukomscreening mache nur eine Kombination der Untersuchung des Sehnervs mit einer Augeninnendruckmessung Sinn, erklärt der BVA. Eine alleinige Augeninnendruckmessung wäre ein Kunstfehler, den kein Augenarzt anbiete. Der BVA zweifelt deshalb an der Methodik der MDS-Statistik. Die Patienten wurden von einem Marktforschungsinstitut befragt – ihre Antworten könnten von begrenzter Sachkenntnis und ihrer Erinnerung getrübt sein.
Das Team des IGeL-Monitors wird aber auch das nicht anfechten. Es führt den BVA-Kunstfehlerhinweis auf der Monitor-Homepage auf. Da es aber auch die Kombileistung für „tendenziell negativ“ befindet – die Datenlage sei ungenügend, um sich für oder gegen ein Screening auszusprechen –, wird sich die MDS-Sicht beim Glaukom-IGeLn nicht ändern.
Auch Mediziner anderer Fachrichtungen fühlen sich von der fortwährenden IGeL-Diskussion immer wieder aufs Neue angepikst, zumal das Thema unlängst sogar Eingang in die abendliche Tagesschau fand. Denn mit der scheinbar evidenzbasierten Fundamentalkritik, deren Urteile oft mit fehlenden Studien und prinzipiellen Risiken unnötiger Folgeeingriffe begründet werden, wird erhebliches Misstrauen zwischen Patienten und Ärzten geschürt.
Dabei stellt sich die Frage, aus welchen Gründen das geschieht. Jedenfalls ist es zumindest irritierend, dass einige gesetzliche Krankenkassen – obwohl der von ihnen mitfinanzierte IGeL-Monitor bislang in 48 Bewertungen noch kein einziges positives Urteil gefällt hat – z.B. die Kosten der augenärztlichen Glaukomfrüherkennung im Rahmen eines freiwilligen Bonusprogramms erstatten. Und die extrakorporale Stoßwellentherapie bei Fersenschmerz – ehemals im IGeL-Katolog geführt – wurde sogar vor Kurzem vom Gemeinsamen Bundesausschuss als GKV-Leistung anerkannt. Honi soit qui mal y pense.