Die blauäugige DNA-Story
Klaus Püschels Vorschlag fand ein gewaltiges Medienecho. Der Direktor des Hamburger Instituts für Rechtsmedizin empfahl kürzlich, zur besseren Bekämpfung schwerer Kriminalität sollten künftig die DNA-Codes aller Menschen in Deutschland gespeichert werden. Von jedem Neugeborenen und jedem Erwachsenen sollte man eine Probe nehmen, auch von Touristen oder Flüchtlingen. "Dann können wir Verbrechen viel schneller und viel besser aufklären, weil wir bei jeder Spur an einem Geschehensort sagen können, von wem die Spur ist", sagte Püschel der Deutschen Presse-Agentur. Auch nach einem Unglücksfall wäre die Identifizierung von Toten so viel einfacher.
Gewiss ein interessanter Gedanke, könnte Deutschland so doch insgesamt sicherer, ja geradezu zu einer Oase in verbrecherischem Umfeld gemacht werden. So weit, so gut – doch ganz zu Ende gedacht scheint die Idee dann doch nicht, denn Püschels Empfehlung, derart brisantes Datenmaterial von uns allen an einem vollkommen sicheren Ort, etwa "tief unten in einem Bergwerk" zu lagern, ist an Naivität kaum zu überbieten.
"Das mag es in totalitären Systemen geben, aber nicht im Rechtsstaat"
Kein Wunder daher, dass Datenschützer aller Couleur umgehend auf die Barrikaden gegangen sind. Wer sichert uns beispielsweise zu, dass diese Datenbank nicht in falsche Hände gerät, in die von Kriminellen, anderen Staaten oder auch der privaten Wirtschaft? Ganz abgehen davon, dass eine Erfassung des individuellen genetischen Codes der Bevölkerung einen massiven millionenfachen Eingriff in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung und die Menschenwürde darstellen würde. Eine genetische Vorratsdatenspeicherung ist weder mit der Unschuldsvermutung noch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar.
"Eine Strafverfolgung um jeden Preis, die den Einzelnen ohne Anlass als Objekt der staatlichen Kontrolle behandelt, mag es in totalitären Systemen geben – dem Rechtsstaat sind derartige Ansätze fremd", urteilt denn auch Hamburgs Datenschutz-Beauftragter Johannes Caspar zu Recht. Die Gefahr der Ausforschung darf in diesem Zusammenhang nicht kleingeredet werden. Nicht von ungefähr wurde bei früheren Gesetzgebungsverfahren stets darauf geachtet, dass besonders schutzbedürftige Persönlichkeitsmerkmale nicht erfasst werden.
Die Cyber-Attacke auf 75 000 Systeme in mehr als 150 Ländern hat nur wenige Stunden nach der Vorstellung der Püschel-Idee mit Nachdruck unterstrichen, wie schwer es heutzutage ist, Daten jeglicher Art zu schützen und sicher aufzubewahren. So blauäugig, zu glauben, dass der Einfallsreichtum weltweit operierender Computer-Hacker vor dem virtuellen Tor zum eingangs erwähnten Bergwerksstollen kapitulieren würde, kann man doch eigentlich nicht sein!