Kommentar Die fleißige Ärztin hat mir leid getan, aber ...
Wenn zum Schutz der Patienten vor infektiösen Mitmenschen telefonisch der Krankenschein vom Arzt erbeten werden kann, so ist das meines Erachtens eine wirklich gute Sache in Zeiten einer Pandemie. Wenn aber zum Erbitten desselben in der Praxis keiner ans Telefon geht, so ist das kontraproduktiv. Zumindest höre ich von vielen Seiten, dass dem so ist. Leider bleibt dann doch nur der Weg zum Arzt, sofern man hierfür keinen Vertreter hat und das eingeschränkte Befinden dies zulässt. Es kommen also Patienten mit Infektionsverdacht zur Praxis, rufen von der Praxistür in Richtung Tresen, dass sie Corona haben. „Ab wann brauchen Sie den Schein?“, wird zurückgerufen. Dann flitzt die Helferin mit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zum Patienten und übergibt die AU. Eine andere Praxis übergibt, wie mir berichtet, die AU durchs Fenster.
In einer anderen Praxis ist die telefonische Erreichbarkeit zwar gegeben, aber auch hier lauern Tücken. Die Mitarbeiterin weiß nicht Bescheid über die Regelungen zur elektronischen Krankschreibung. Jemand soll den Krankenschein in der Praxis abholen, heißt es. Ich erkläre mich bereit, für einen Bekannten mit Coronasymptomen die AU zu holen. Vor der Haustür warten bereits Patienten, ebenso im Treppenhaus. Gedränge auch vor dem Tresen der übervollen Praxis. Von Diskretion kann keine Rede sein. Die Anstehenden schwitzen bei Sommerhitze. Hinter der Plexiglasscheibe zumindest läuft zum Schutz der Mitarbeiter ein großer Ventilator. Ein Wartender ist sichtlich genervt, weil schon seit dreieinhalb Stunden hier, wie er mir sagt.
Ich gebe schließlich auf, in der Hoffnung, mich nicht infiziert zu haben. Beim zweiten Versuch und erneutem längerem Warten bekomme ich den Schein. Inzwischen weiß ich, dass die Ärztin nicht nur ihre eigenen Patienten zu betreuen hat, sie macht auch noch für zwei weitere Kollegen Vertretung.
Ich frage mich im Nachhinein, wie kann es sein, dass eine gut gemeinte Regelung der telefonischen Krankschreibung nicht in Praxen wie vorgesehen genutzt wird. Und warum geht keiner ans Telefon? Durch Telefonat und AU-Versand ließe sich doch der Druck in der Praxis minimieren und auch das Infektionsrisiko. Und dann frage ich mich noch, ob es keine Kontrollmechanismen bei Vertretungsregelungen seitens der KVen gibt. Zu viel ist hier einfach zu viel – für die fleißige Ärztin, die mir wirklich leidgetan hat, und für die wartenden Patienten.
Cornelia Kolbeck
Hauptstadtkorrespondentin