Die Gefahr kommt aus dem Fernseher
Es wird immer abstruser und gefährlicher zugleich, was da aus Amerika über den großen Teich zu uns herüberschwappt. Nein, die Rede ist ausnahmsweise einmal nicht von Donald Trump und den Tweets dieses präsidialen Selbstdarstellers. Es geht vielmehr um die TV-Serie "Tote Mädchen lügen nicht", die das Leiden und den Suizid einer Jugendlichen thematisiert. Wegen seiner drastischen und romantisierenden Darstellungsweise ist das eines der derzeit meist diskutierten Fernsehformate.
In Deutschland wurden nun bereits erste suizidale Krisen und sogar Selbstmorde bekannt, die in direkter Beziehung zu dieser Serie stehen sollen. Psychiatrische Fachgesellschaften warnen daher zu Recht mit Nachdruck vor dem Konsum der Serie.
"In der TV-Serie wird ein Suizid derart romantisiert, dass sich die Zuschauer umbringen"
Im englischsprachigen Original "13 Reasons Why" betitelt, beschreibt detailliert die belastenden Umstände, denen die jugendliche Protagonistin ausgesetzt ist, bevor sie sich schließlich selbst umbringt. Das Mädchen hinterlässt Audiobänder, in denen sie mit einzelnen Personen abrechnet, die sie direkt für ihren Suizid verantwortlich macht. Die Darstellung des Suizids selbst ist explizit und verstörend. Das Schul-Schließfach des Mädchens wird von ihren Mitschülern zum Schrein umfunktioniert, die Selbsttötung erhält dadurch posthum eine Aufwertung.
Der Suizid wird hier als letzter Ausweg dargestellt und vielfach romantisiert. Die internationale Forschung hat indes eindeutig gezeigt, dass derartige Darstellungen das Risiko von Nachahmungstaten signifikant ansteigen lassen. Gleichzeitig werden damit internationale Richtlinien und Empfehlungen zur Darstellung von Suiziden in den Medien ignoriert. Auch der deutsche Pressekodex beinhaltet schließlich entsprechende Regelungen. Die amerikanischen Fernsehmacher kümmern diese Fakten wenig.
Sie statten vielmehr die Hauptfigur mit großem Identifikationspotential aus und stellen den Suizid als letzten Ausweg und gleichsam als logische Konsequenz der erlittenen Traumata dar. Strategien und Hilfsangebote, die Menschen in suizidalen Krisen effektiv helfen könnten, kommen hingegen nicht vor. Daher würde ich mir wünschen, dass derart gefährliche TV-Angebote umgehend aus dem Programm genommen werden, bevor noch mehr passiert.
"Gefährliche Formate sofort aus dem Programm nehmen, bevor noch mehr passiert!"
Gleiches gilt auch für "Germanys Next Topmodel", wo die unsägliche Heidi Klum dürre Mädels für eine mögliche Karriere auf dem Laufsteg drillt. Hier treibt ein überaus merkwürdiger Schönheitswahn sein Unwesen. Im Nachbarland Frankreich hat man jetzt die damit verbundenen Gefahren erkannt. Ein Gesetz schreibt Models dort künftig vor, ihre gesundheitliche Eignung nachzuweisen. Das Gesundheitsministerium will damit der Magersucht bei Jugendlichen vorbeugen. Bereits 2015 hatte Frankreich beschlossen, mit einem Gesetz gegen Anorexie vorzugehen.
Der nun in Kraft getretene Erlass regelt die Details. Die ärztliche Bescheinigung soll in der Regel für zwei Jahre ausgestellt werden. Wer Models ohne Bescheinigung beschäftigt, dem drohen sechs Monate Gefängnis und 75000 Euro Strafe. Zudem müssen ab Oktober Werbefotos in Frankreich mit einem Hinweis versehen werden, wenn die Abbildungen von Models retuschiert werden. Ein Verbot von Magermodels gibt es bereits in Israel, Italien einigte sich mit den Modeverbänden schon 2006 auf eine Grundsatzerklärung gegen Magersucht. Auch in anderen europäischen Ländern wird das Problem immer wieder diskutiert – hierzulande bisher Fehlanzeige!
Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass Fernsehen krankmachen kann – bitte sehr. Wir müssen unsere Jugendlichen vor solchem Medientrash besser schützen. Zu hoffen, dass die TV-Mogule in Zukunft nicht mehr so sehr auf Quote und Kohle schielen, sondern ihrer Verantwortung gerecht werden, das erscheint mir allzu blauäugig.