Die rasenden Ärzte
Tempolimit – ein emotionales Thema, das es laut Gewerkschaft der Polizei zu versachlichen gilt. Wie passend, dass das British Medical Journal kürzlich ein „Gutachten“ als Diskussionsgrundlage lieferte.1 In der Observationsstudie untersuchten Forscher, welche Ärztegruppe besonders gerne aufs Gaspedal drückt und Begrenzungen überschreitet.
Ausgewertet wurden die Daten von 5372 Medizinern, die im US-Bundesstaat Florida einen Strafzettel fürs Rasen kassierten. Zwischen 2004 und 2017 kamen ingesamt 14 560 Knöllchen zusammen. Etwa jeder vierte Kollege hatte mehr als 32 km/h (20 mph) zu viel auf dem Tacho. Vor allem Psychiater überzeugten hier als Speed-Junkies. Fast jeder Dritte von ihnen hatte es extrem eilig.
Den Geschwindigkeitsrekord hält aber ein Internist. Bei 113 km/h über dem Limit kam jegliche antiadrenerge Medikation zu spät – Treibstoffwechselentgleisung nennt man das wohl. Insgesamt hatten verständlicherweise die Orthopäden den größten Bleifuß, sie waren durchschnittlich 27 km/h zu schnell unterwegs. Am unteren Ende des Raserspektrums tuckerten derweil Anästhesisten (vermutlich noch etwas sediert) und Radiologen (grundsätzlich tiefenentspannt).
Weiterer Funfact aus der Kategorie „Was Sie schon immer über Ärzte-Klischees wissen wollten“: Der Puls von Kardiologen kommt erst mit Porsche, Maserati oder Jaguar so richtig auf Touren. Denn unter den geblitzten Kollegen fuhren sie die edelsten Karossen (dazu zählten u.a. auch BMW, Audi, Volvo und Tesla). So mancher hätte am Steuer wohl eher einen Radiologen vermutet. Diese belegten aber nur Platz vier, noch hinter den Internisten.
Und die Allgemeinmediziner? Bei der Geschwindigkeitsüberschreitung noch im Mittelfeld, bildeten sie das Schlusslicht, wenn es um Luxusschlitten ging. Gerade einmal jeder fünfte Hausarzt raste mit einem hochwertigen Modell.
Ob das alles nun für oder gegen ein Tempolimit spricht, muss die Gewerkschaft der Polizei selbst entscheiden. Eines ist jedoch klar: Legen Ärzte hierzulande eine ähnlich non-adhärente Fahrweise an den Tag, haben Kreise und Kommunen genug Geld, um den öffentlichen Nahverkehr zu fördern. Der ein oder andere Kollege würde Bus und Bahn dann auch ganz bestimmt nutzen (müssen).
1. Zimerman A et al. BMJ 2019; 367: l6354; DOI: 10.1136/bmj.l6354
Dr. Sascha Bock
Redakteur Medizin