Gut vorbereitet? Träumen Sie weiter, Herr Spahn!

Kolumnen Autor: Dr. Frauke Gehring

Es kann eher von Glück als von guter Vorbereitung die Rede sein. Es kann eher von Glück als von guter Vorbereitung die Rede sein. © iStock/caracterdesign

Das Corona-Virus breitet sich weiter aus und auch erste Fälle in Deutschland sind bekannt. Doch haben wir hier wirklich alles im Griff?

„Wir haben die Lage völlig im Griff und sind optimal vorbereitet!“ Als ich unseren Gesundheitsminister das vor wenigen Wochen sagen hörte, wäre ich beinahe vom Laufband gefallen, weil mir klar wurde: Die Sache ist ernst und keiner hat sie im Griff! Das Coronavirus in China hatte sich als Verursacher einer ernsten Seuche entpuppt und nun waren die ersten Krankheitsfälle in Deutschland aufgetaucht.

Während ich meine Beine wieder sortierte, dachte ich über die möglichen Szenarien nach. Es hieß, dass die Ansteckung schon zwei Wochen vor Symptomausbruch beginnt. Das würde bei einer der Influenza vergleichbaren Infektiosität bedeuten, dass sich bald Dutzende, dann aber schnell Hunderte bis Tausende Infizierte unerkannt durch Deutschland bewegen und eine heftige Epidemie nicht mehr aufzuhalten ist.

„Haben wir noch diese Spezialmasken aus der Schweinegrippezeit?“, fragte ich daher, sobald ich in der Praxis war. Fünf Stück trieben wir noch auf, für acht Mitarbeiterinnen nicht gerade üppig. „Ab wann müssen wir die denn tragen?“ Tja, kluge Frage, ab wann eigentlich? Mit Sicherheit nicht wegen drei Infizierten in Bayern. Aber ab dem ers­ten Infizierten in Dortmund? Oder müssen es erst 100 in Arnsberg sein?

Während ich noch nachdachte, kam die nächste Frage: „Was ist mit Schutzkleidung? Brauchen wir die auch?“ Das habe ich nun von unseren mitdenkenden MfAs: Sie zeigen mir innerhalb von Sekunden, dass wir gar nichts wissen und erst recht nichts im Griff haben. „Wir bestellen erst mal neue Masken“, entschied ich, um Zeit zu gewinnen, um fünf Minuten später zu erfahren, dass diese überall bis auf Weiteres ausverkauft waren.

Natürlich gibt es Richtlinien: „Fragen Sie die hustenden Patienten, ob sie in China waren!“, rät man im Bundesgesundheitsamt. „Super Idee“, ätzte meine MfA.„Bis ich fragen kann, haben die schon minutenlang an der Rezeption herum gehustet und uns und alle Mitwartenden angesteckt! Außerdem: Wir haben doch gar keinen zusätzlichen Raum in dem wir sie isolieren können!“ Wieder ins Schwarze getroffen!

Am Morgen hatte ich ein paar Gewinne aus meinem Aktienportfolio realisiert, man wusste ja nicht, wie sehr die Börse unter einer Pandemie leiden würde. Hier war ich deutlich besser vorbereitet als in der eigenen Praxis! „Es sterben nur Ältere mit Vorerkrankungen“, hatte Herr Spahn begütigend gesagt. Also so Leute wie meine Eltern? Das war ja tröstlich …Aber ich liebe meine Eltern!

Meinen Mann zwang ich zur Grippeimpfung. „Was, wenn du eine ernste Grippepneumonie kriegst und alle Betten sind mit Corona­verdachtspatienten belegt?“ Bei mir selber holte ich die schon länger fällige Pneumokokkenimpfung nach und fing mir damit ein durch reaktives Fieber versautes Wochenende ein. Aber angesichts von nur 14 (in der Zeitung stolz präsentierten) Isolierbetten für 80 000 Einwohner unserer Stadt („Wir sind perfekt vorbereitet!“) war mir das den Preis wert.

Und heute? Die Inkubationszeit hat sich verkürzt, die Zahl der Infizierten bleibt in Deutschland erstaunlich niedrig. Die Chinesen tun mir leid, und ich frage mich, warum dort alles explodiert – allen teils brutalen Einschränkungen zum Trotz – und hier nicht. Wir haben immer noch keine Ffp2-Masken und tragen immer noch keine Schutzkleidung. Mein Aktienportfolio erklimmt neue Höchststände, die Gewinne habe ich längst reinvestiert. Aber vorbereitet? Sorry, Herr Spahn, das sind wir nicht, geschweige denn perfekt! Wir hatten bisher einfach nur Glück.