Corona und kein Ende in Sicht
Gestern bekam ich eine witzige WhatsApp-Nachricht von Freunden, die derzeit durch Lateinamerika touren. Auf dem Foto war eine Flasche abgebildet und darunter stand: „Die schlauen Mexikaner haben das Virus einfach in Flaschen gepackt.“ Auf dem Flaschenetikett stand natürlich: Corona.
Seit Wochen werden wir in allen Nachrichtensendungen täglich, in manchen Nachrichtendiensten sogar stündlich, epidemiologisch auf den neuesten Stand gebracht. Zu Anfang waren es die Bilder aus Wuhan, die die fleißigen chinesischen Kollegen und die Mundschutz tragende Bevölkerung zeigten, später das Bild eines riesigen Kreuzfahrtschiffs in Quarantäne, dessen Passagiere nicht nur nicht von Bord, sondern nicht einmal ihre Kabine verlassen durften. Allein beim Gedanken daran, 14 Tage in einer Innenkabine eingesperrt zu sein, schaudert es mich. Die einzige Unterhaltung war vermutlich der gelegentliche Besuch eines Vertreters des Gesundheitsdienstes, von oben bis unten in einen Schutzanzug gehüllt und ein Tablett voller Wattetupfer vor sich her tragend. Diese armen Passagiere hatten mein volles Mitgefühl.
Und nun die Bilder von Städten, die polizeilich abgeriegelt werden, von Innenstädten mit geschlossenen Geschäften, menschenleer. Wie ausgestorben. Und das in Italien! Ähnlich müssen die Städte zu den Zeiten des „schwarzen Todes“, der Pestepidemie ausgesehen haben.
Was macht diesen Hype des Corona-Virus aus? Was ist der Grund, warum derzeit Infektiologen und Gesundheitsminister die begehrtesten Interviewpartner sind, warum sogar Staatschefs täglich zu diesem Thema vor die Kameras treten und versuchen, die Bevölkerung zu beruhigen?
Dass in Zeiten der Globalisierung ein Virus nicht auf eine Region beschränkt bleiben wird, ist eigentlich klar. Dass eine Viruserkrankung für Immungeschwächte, ältere Menschen und Menschen mit chronischen Erkrankungen, v.a. des Herzens und der Lunge, sehr gefährlich, ja tödlich sein kann, weiß man auch. Dass es Menschen mit schweren Symptomen und Menschen mit wenig Krankheitsbelastung bei einer Infektion gibt, ist uns Hausärzten absolut vertraut. Und dass die ersten, die eine neuartige Infektionskrankheit entdecken, meist selber daran erkranken, kennt man aus der Vergangenheit. Der Tod des chinesischen Augenarztes und Erstbeschreibers der Corona-Infektion und der des Klinikleiters in Wuhan sind leider die traurige Bestätigung.
Warum aber berichtet niemand täglich vom West-Nil-Virus? Das breitet sich von Jahr zu Jahr weiter nach Westen aus und hat mittlerweile die Westküste der USA erreicht. Und jedes Jahr fordert es unter den oben genannten Risikogruppen viele Todesopfer. Warum berichtet niemand täglich von der Virusgrippe, die jedes Jahr für viel mehr Menschen tödlich endet? Warum also stürzen sich alle auf Corona?
Einige Antworten fallen mir ein: Das Virus ist neu, es scheint bisher sehr virulent zu sein und es breitet sich schnell aus. Auch nach Deutschland ist es bereits eingereist. Das Virus erschüttert unsere Vorstellung von einer kontrollierbaren und sicheren Welt. Es wird als bedrohlich und vielleicht sogar heimtückisch wahrgenommen. Sicher fallen Ihnen noch viele weitere Argumente ein!
Trotz Flughafennähe reagieren meine Patienten bisher übrigens sehr unaufgeregt. Nur gelegentlich kommt eine Nachfrage. Zudem scheint die Reiselust der Menschen ungebrochen. Mal sehen, wie sich die Lage entwickelt, wenn die Grippewelle so richtig anrollt.