Was können wir gegen Hass und Hetze tun?
„Klare Worte aus der Bütt“, schrieb die Allgemeine Zeitung aus Mainz über die Attacke des „Obermessdieners“ Andreas Schmitt auf rechten Terror und die AfD in der TV-Fastnachtssitzung „Mainz bleibt Mainz“. Die wurde nach der Sitzung innerhalb kürzester Zeit zum Online-Renner, auch weil YouTuber Rezo der AfD-Passage aus Schmitts Büttenrede auf Twitter zu hunderttausendfacher Verbreitung verhalf.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie werden sich fragen, was dieser Vorfall mit meiner Kolumne in der Medical Tribune zu tun hat. Ganz einfach: Ich frage mich, wie die Ärzteschaft mit ihren täglich millionenfachen Kontakten den an die AfD gerichteten Schlusssatz von Andreas Schmitt unterstützen kann: „Wir leben hier zusammen, die Demokratie wird triumphieren, dieses Land werdet ihr niemals regieren.“
Zugegeben: Die Frage wie die Ärzteschaft auf rechtsextremistische Gesinnungen reagieren und unsere Demokratie vor Neonazis und ihren Netzwerken schützen kann, ist nicht einfach zu beantworten. Auch diese Menschen werden krank und gehen zum Arzt. Und ihre Gesinnung lässt sich durch Hinhören und Nachfragen erkennen.
Gerade wenn es um nicht mögliche Verordnungen oder Ablehnungen geht, hören wir schnell Sätze wie: „Herr Doktor, mal ehrlich, so kann es doch in Deutschland nicht weitergehen.“ Jetzt sollten wir nachfragen, etwa: „Wie meinen Sie das?“ oder „Was, meinen Sie, kann man unternehmen, damit das besser wird?“ Die Antworten trennen dann die Spreu vom Weizen.
Aber wie reagieren wir, wenn uns ein Patient rät, in die AfD einzutreten, oder er Verständnis für die Ereignisse in Hanau, Halle oder Chemnitz zeigt? „Gar nicht“, war die Antwort am Ärztestammtisch. Warum nicht, habe ich in die Runde gefragt. Die Antworten lauteten: „Ich lasse mir doch nicht meine Praxis demolieren“ oder „Anschließend kann ich mich nicht mehr auf die Straße trauen“ oder „Ich habe schlichtweg Angst vor Übergriffen, auch auf meine Arzthelferinnen“.
Die Angst vor den Folgen scheint also die Triebfeder zu sein, lieber den Mund zu halten. Doch selbst wenn wir uns auf eine Diskussion mit Patienten einlassen, würde das ja Ereignisse wie jetzt in Hanau nicht verhindern. Um das zu erreichen, müssten wir das Gesagte mit Namensnennung weitergeben.
Dürfen wir das? Nein. Die ärztliche Schweigepflicht verlangt, dass Ärzte über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Arzt anvertraut wurde oder bekannt geworden ist, zu schweigen haben. Rechtsgrundlage ist § 203 Strafgesetzbuch (StGB) in Verbindung mit § 9 der Musterberufsordnung.
Dies gilt nicht für Informationen, die der Mediziner außerhalb der Behandlung zufällig wahrnimmt, was für im Sprechzimmer gefallene Sätze nicht zutrifft. Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart, erhält nach § 203 StGB eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.
Gesetzliche Offenbarungsrechte gelten u.a. nur um geplante, schwere Verbrechen zu verhindern. Darüber wird man uns wohl kaum im Sprechzimmer informieren. Müssen wir aber unser Schweigen brechen, um nicht selbst unbegründet strafrechtlich verfolgt zu werden? Sicherlich nein, wenn mir nur rechtsextremistisches Gedankengut zu Ohren kommt.
Dann gibt es noch den Sonderfall des Offenbarungsrechts bei kollidierenden Rechtsgütern Einzelner oder der Allgemeinheit (§ 34 StGB: „rechtfertigender Notstand“). Ist das oben genannte Patientengespräch ein solcher Notstand? Wiederum ein klares Nein.
Wenn der behandelnde Arzt seine Schweigepflicht verletzt, muss er sich unter Umständen in einer Gerichtsverhandlung rechtfertigen. Das ist einfach, wenn der Arzt beispielsweise nachweisen kann, dass ihm die Planung einer Straftat zu Ohren gekommen ist, ein Rechtsextremist also seine Tat im Sprechzimmer zuvor ankündigt – was äußerst selten der Fall sein dürfte.
Wir müssen also leider resignierend feststellen, dass wir den Kampf gegen den Rechtsextremismus derzeit nur marginal unterstützen können. Doch wir sollten unsere Demokratie verteidigen und weitere Opfer verhindern können. Dazu bedarf es einer Nachjustierung, damit wir keine straf-, zivil- oder berufsrechtlichen Sanktionen zu befürchten haben.