Praxiskolumne Homeoffice auch für Ärztinnen und Ärzte!

Kolumnen Autor: Dr. Nicolas Kahl

Könnten Ärzt:innen mit Familie auch von zu Hause arbeiten, würde dies einige Probleme lösen. Könnten Ärzt:innen mit Familie auch von zu Hause arbeiten, würde dies einige Probleme lösen. © daniilvolkov – stock.adobe.com

Familie und Beruf sind für Ärzt:innen bisher häufig nur schwer zu vereinen. Die daraus resultierende Personalproblematik macht es auch den Praxen und Kliniken schwer. Die Ermöglichung von Homeoffice mit digitalen Lösungen könnte die Antwort sein meint unser Kolumnist.

Die Medizin wird weiblicher! Und überhaupt: Wir brauchen mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf! Oft gehörte Schlachtrufe auf berufspolitischer Bühne. Doch was sich als Antwort darauf durchzusetzen scheint, sind lahme Angebote von Teilzeittätigkeit. Es sind also nicht die Arbeitgeber, die eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen. Es sind die jungen Kolleg:innen, die sich entscheiden müssen: „Mir ist die Familie wichtig. Dafür nehme ich Gehaltseinbußen in Kauf.“ Das ist weder innovativ noch geschlechtergerecht noch gesamtgesellschaftlich sinnvoll!

In den meisten Kliniken und Praxen herrscht oft weiterhin die Mentalität: Entweder du kommst mit Vollgas mit Dienstübernahmen und allem drum und dran zurück – oder es heißt: „Wir hätten dann lieber doch einen anderen Kollegen.“  Dass es diese beliebteren „anderen Vollzeitkollegen“ aber nicht unbegrenzt gibt und man daher das Arbeitsfeld flexibilisieren müsste, wird nicht realisiert und diskutiert.

Währenddessen bricht bei Verantwortlichen und Kolleg:innen ohne Familie immer schon vorsorglich der Stressschweiß aus, wenn jemand aufgrund von Kindern oder Schwangerschaft nicht uneingeschränkt eingeplant werden kann – wegen des Kostendrucks sind die Personalschlüssel in den Kliniken und Praxen so schlecht, dass man fürchtet, es könnte noch mehr Arbeit an den Vollzeitkräften hängenbleiben. Das Problem: Man hat so viel Stress damit, die Versorgung unter den gegebenen Bedingungen irgendwie noch zu sichern, dass man nicht darauf kommt, einen Schritt zurückzutreten und die Arbeitsorganisation und -verteilung als Ganzes neu zu denken.

Und „weil das morgen noch so ist, weil das immer schon so war“, sind die Arbeitsfelder für Ärzt:innen so altmodisch eng gesteckt, dass eine sinnvolle Anpassung der Arbeit an moderne digitale Arbeitsformen überhaupt nicht in Betracht gezogen wird. 

Warum muss ich als Ärzt:in in der Weiterbildung zum Facharzt für Radiologie stets aus dem Klinikgebäude heraus arbeiten? Warum kann nicht zumindest ein Teil der Weiterbildung in einem anteilig asynchronen Fach wie der Radiologie aus dem Homeoffice per VPN erledigt werden? Die Supervision findet eh am nächsten Tag durch den OA bei der Befundfreigabe statt und kann auch telefonisch diskutiert werden. Und seien wir ehrlich: Die Präsenz-Oberarzt-Betreuung in der Klinik ist auch in Dienstzeiten nicht rund um die Uhr gegeben.

Warum muss die Arbeit am Arztbrief bzw. das Diktat immer täglich am Ende der Arbeitszeit aus der Klinik erfolgen? Warum sollen die Ärzt:innen nicht von zu Hause den Rest der Arbeit flexibel erledigen?
Und ich in meiner Hausarztpaxis würde gerne angestellte Ärzt:innen so einsetzen, dass sie vormittags in der Praxis mitarbeiten, aber z.B. nachmittags von zu Hause Video­sprechstunde mit Patient:innen machen, die vor Ort in meiner Praxis sind. Der Patient kann so auch nachmittags mit seinem/r Stammärzt:in sprechen. Auch Anfragen für Wiederholungsrezepte könnten asynchron von zu Hause bearbeitet werden und Befundbesprechungen telefonisch bzw. über Video erfolgen. Das wird aber vom aktuellen „Kassensystem“ nicht toleriert – so verlieren wir als Gesellschaft wertvolle Arztzeit und die Kolleg:innen werden nicht wertschätzend eingesetzt!

Ich wünsche mir, dass endlich anerkannt wird, dass es auch im Bereich der Medizin Änderungen von Arbeitsabläufen geben muss. „Arbeiten in Teilzeit“ ist keine „moderne Form“ von Arbeit. Es ist das gleiche Arbeiten wie bisher. Nur weniger. Und wir müssen aufhören darüber zu reden, dass es um ein „weibliches“ Problem gehen würde. Es geht darum, wie wir in Zukunft die wertvolle Ressource Ärzt:in sinnvoll und effektiv einsetzen. Dafür sollten wir digitale Lösungen suchen und nutzen. Weil morgen nichts mehr ist, wie es immer schon war.