Kaum Behandlung, dafür viel Beratung
Mein Jahr mit Corona begann Mitte März in Südafrika. Das Land war damals noch nicht selbst von SARS-CoV-2 betroffen. In den Kaffeepausen beim dortigen Kongress wurde das Thema jedoch schon heftig diskutiert und die ganze Spannbreite der Ansichten inklusive vorsichtiger Verschwörungstheorien, auch von Kollegen, offensichtlich. Mit dem vorletzten Linienflug kam ich gerade noch nach Deutschland zurück und musste dort mitten ins kalte Wasser springen.
Bevorratung mit Masken, Schutzkitteln, Handschuhen und Desinfektionsmitteln zu Wucherpreisen, Zusammentragen seriöser Informationen über die Erkrankung, Anleiten der Angestellten, Anpassen des Bestellsystems. Wenige Patienten in der Sprechstunde, aber Dauertelefondienst bei riesigem Beratungsbedarf. Und welch ein Aufwand bis wir einen Plexiglas-Spuckschutz für die Anmeldung auftreiben konnten! Gleichzeitig wussten wir alle nicht, wie es mit uns und unseren Praxen weitergeht. Der Stress und die Unsicherheit haben mich bis Ende März ganz schön mitgenommen. Ich hatte keine Angst vor Corona, das nicht. Eher davor, dass ich unsachgemäß beatmet werden könnte. Das stelle ich mir quälend vor. Ich hatte mich sogar freiwillig für eine im Landkreis etablierte Allgemeinpraxis mit Coronapatienten gemeldet, wurde aber nicht benötigt – mangels Patientenaufkommen!
Ab da sah ich die Sache ziemlich gelassen. Teilweise genoss ich die ruhigeren Zeiten regelrecht, räumte ein wenig auf und vermied die panikmachenden Fernseh- und Videosendungen, die jedoch einige meiner Patienten offensichtlich im Übermaß konsumierten. Jetzt im Winter ist es vor allem für Menschen mit Neigung zu depressiven Stimmungslagen schwierig. Da rechne ich mit erhöhtem Gesprächsbedarf und mit der vermehrten Verordnung von Psychopharmaka.
Gab es auch Positives in diesem Jahr? Ich hatte zwei herrliche, eher einsame Urlaube, einmal im Hochgebirge und einmal am See, fernab von Urlaubszentren. Das war die erholsame Seite der Kontaktbeschränkungen.