Krebsspezialist und Apothekerin stehen gemeinsam vor Gericht
Konkret wirft die Staatsanwaltschaft dem ehemaligen Leiter der onkologischen Ambulanz der Berliner Charité vor, die in seinem Geschäftsbereich anfallenden Verordnungen für bestimmte Krebspräparate mit einem Umsatzvolumen von insgesamt 3,7 Mio. Euro an die im Prenzlauer Berg gelegene Apotheke von Monika L. übermittelt zu haben (Rohertrag für die Apotheke: 400 000 Euro). Im Gegenzug soll seitens der Apotheke Elektronik-Equipment im Wert von knapp 30 000 Euro an den Krebsspezialisten geliefert worden sein, zur Nutzung in der Fachambulanz. Bei den Geräten handelt es sich u.a. um Drucker, Fax, Diktiergerät, iPad und Zubehör sowie Festplatten – allesamt bereitgestellt von einer Elektronikfirma, deren Miteigentümer der Sohn der Apothekerin ist.
Verstoß gegen elementare Regeln der Anti-Korruption
Der Angeklagte soll bei Erhalt der Geräte persönlich Spendenbescheinigungen ausgestellt haben, die die Apothekerin ihrerseits steuerlich geltend machte. Gegenüber der Verwaltung des Klinikums habe der Angeklagte die Herkunft der Geräte verschwiegen – entgegen der Drittmittelsatzung der Charité. Beiden Angeklagten sei bewusst gewesen, dass sie gegen elementare Korruptionspräventionsregelungen des Uniklinikums verstießen, so die Staatsanwaltschaft.
Am ersten Verhandlungstag am Landgericht Berlin erklärte die Angeklagte, die ihre Apotheke inzwischen abgegeben hat, dass sie während der Krebserkrankung ihres Vaters Kontakt zur Fachambulanz hatte und deshalb über deren unzureichende verwaltungstechnische Ausstattung Bescheid wusste. Sie habe deshalb Sachspenden angeboten, mit Lieferschein und gegen Spendenbescheinigung. Das sei ihr „ordnungsgemäß und transparent“ erschienen. Weitere Absprachen mit Prof. R. habe es nicht gegeben, so die Angeklagte. Für sie sei es auch normal gewesen, eine Einrichtung zu unterstützen, mit der sie persönliche Erfahrungen verbinde. Die Pharmazeutin hatte als Studentin ein Praktikum in der Charitéapotheke absolviert.
Zeuge Dr. Jan E. bestätigte später die damaligen Probleme mit der Technik, u.a. seien die Computer regelmäßig zu langsam und der Austausch sei nach Outsourcing der IT-Abteilung zudem schwierig gewesen. Ob es sich tatsächlich nur um eine gut gemeinte Spendenaktion seitens der Apotheke handelt oder ob vertraglich Absprachen verankert sind, die Bestechung bzw. Bestechlichkeit beinhalten, muss das Gericht nun herausfinden. Fakt ist: Monika L. unterhielt von 2008 bis 2012 ein sog. Notfalldepot in der Fachambulanz. Damit konnten Fertigarzneimittel, darunter Zytostatika in Form von Fertigspritzen oder Tabletten oder auch antihormonelle Therapeutika sowie Medikamente gegen Übelkeit den schwerkranken Patienten kurzfristig zur Verfügung gestellt werden. Der Weg in die Apotheke blieb den Patienten so erspart.
Zytostatische Lösungen und Parenteralia habe sie aber niemals an die Charité geliefert, erklärte die Apothekerin. Dr. Jan E. übernahm nach eigenen Angaben 2012 die Leitung der Fachambulanz. Danach habe er das Notfalldepot zuerst „verschlankt“, dann aufgelöst. Die im Notfalldepot vorgehaltenen Medikamente wurden schließlich von der Krankenhausapotheke bereitgestellt. Warum das nicht schon vorher so gehandhabt wurde, konnte nicht geklärt werden.
Damals, so gab der Zeuge an, hätten sich neun Ärzte vier Vertragsarztsitze in der Ambulanz geteilt. Die Belieferung aus dem von den Krankenhausschwestern betreuten Notfalldepot habe sich aus dem Klinikalltag ergeben und sei erst durch ihn hinterfragt worden.
Schwierige Suche nach einer vertraglichen Vereinbarung
Wenn die Belieferung schließlich „aufgekündigt“ worden sei, habe es da nicht doch einen Vertrag für das Notfalldepot gegeben?, hakte der Richter nach. An einen solchen konnte sich der Zeuge aber nicht erinnern. Ebenso nicht an Anweisungen für die Ärzte in der Ambulanz, Rezepte über Zytostatika-Zubereitungen der beklagten Apothekerin zuzuweisen.
An Lieferabsprachen für Zytostatika-Zubereitungen erinnerte er sich allerdings doch. Diese habe es gegeben, jedoch in anderen Organisationseinheiten und u.a. für Privatpatienten. Er nannte auch drei seines Wissens involvierte Berliner Apotheken, darunter auch die der Angeklagten. Zudem gab er an, dass eine gesetzliche Krankenkasse für ihre Versicherten sogar auf die Zulieferung aus einer dieser Apotheken (Standort Wedding) bestanden hatte.
Patientenbindung an nur eine Apotheke
Ob Patienten über die Kooperationen aufgeklärt wurden, wollte der Richter vom Zeuge noch wissen. „Ich erinnere mich, so etwas mal gesehen zu haben“, erklärte Dr. E., als ihm der Richter ein Formular vorlegte, mit dem ein Patient der Belieferung aus der Apotheke der Angeklagten „aus freiem Willen“ zugestimmt hatte. Der Prozess läuft mindestens noch bis Mitte März. Die Charité-Pressestelle möchte sich – befragt zur technischen Ausstattung der Fachambulanz damals und heute – wegen des laufenden Verfahrens nicht äußern.