Schulgesundheitsfachkräfte Chronisch kranke Kinder unterstützen
„Mama, ich habe mein Pausenbrot vergessen!” Was bei gesunden Grundschulkindern nur als kleiner Vorfall am Rande zu bewerten ist, kann bei jungen Schüler*innen mit Typ-1-Diabetes schon fatale gesundheitliche Folgen, wie eine schwere Unterzuckerung, haben. Den Diabetes in der Schule selbst zu managen, ist für junge Menschen mit Diabetes, deren Eltern und Lehrende eine tägliche Herausforderung: Kohlenhydrate richtig einschätzen, den Blutzucker messen, die passende Insulindosis spritzen und bei körperlicher Aktivität, etwa im Schulsport, gefährliche Hypoglykämien vermeiden – all das kostet Zeit und Kraft.
Das weiß auch Karen Kreutz-Dombrofski. Sie ist ausgebildete Krankenschwester und eine von zehn Schulgesundheitsfachkräften in Hessen. Seit fünf Jahren arbeitet sie an der Ernst-Reuter-Schule II in Frankfurt am Main, einer der ersten integrierten Gesamtschulen in Deutschland. Dort betreut die frühere Kinderkrankenschwester allein rund 1.200 Kinder und Jugendliche, vier von ihnen haben Typ-1-Diabetes. Internationale Standards sehen pro Fachkraft eigentlich maximal 700 junge Menschen vor. Mindestens jedes sechste Kind, das heute zur Schule geht, hat eine chronische Erkrankung, jedes 500. bringt die Diagnose Typ-1-Diabetes mit.
Welche Vorteile bringen Schulgesundheitsfachkräfte?
Ein aktuelles Gutachten der Technischen Universität Mittelhessen zum Einsatz von Schulgesundheitsfachkräften zeigt:
- Deren Implementierung ist sinnvoll, machbar und finanzierbar.
- Sie fördern die Inklusion von Kindern mit chronischen Erkrankungen.
- Sie entlasten das Schulsystem.
- Sie tragen zur finanziellen Sicherheit von Familien bei.
- Sie sind volkswirtschaftlich eine lohnende Investition.
Das bedeutet auch für die Schulgesundheitsfachkraft sehr unterschiedliche Förderungsbedarfe und Aufgabenbereiche, die von der gesundheitlichen Erstversorgung bis zur Netzwerkarbeit z.B. mit anderen Professionen wie Teilhabeassistent*innen reicht, berichtet Kreutz-Dombrofski. Für sie als Fachkraft wurde in ihrer Schule ein eigener Raum eingerichtet. Dorthin können Kinder und Jugendliche mit all ihren Fragen kommen – ob mit Bauchschmerzen vor der Mathearbeit, weil sie Husten und Schnupfen haben und einen Coronatest brauchen oder schnell ein Pflaster für ein aufgeschürftes Knie. „Hier ist die erste Anlaufstelle”, sagt sie, übrigens auch für Lehrende bei Nachfragen zu einer chronischen Erkrankung ihrer Schüler*innen.
Studie belegt: Fachkräfte entlasten Schulsystem
Dass medizinisch ausgebildete Fachkräfte den Schulbetrieb effektiv entlasten können, zeigt auch eine Studie der Technischen Universität Mittelhessen: Das Implementieren von Schulgesundheitsfachkräften sei sinnvoll, mach- und finanzierbar, so das Ergebnis. Auch volkswirtschaftlich seien die Fachkräfte interessant. Denn bei einer chronischen Erkrankung des Kindes schränkten die Eltern, meist die Mütter, ihre Berufstätigkeit ein (15 % Arbeitsstopp, 21 % Zeitarbeit), erklärt Prof. Dr. Andreas Neu, Präsident der DDG. 46 % der betroffenen Familien klagten über relevante finanzielle Einbußen.
Keine Einzelfälle, Politik muss handeln!
Eine begleitende Studie zum Modellprojekt „Schulgesundheitsfachkräfte“ der AWO Potsdam habe zudem ergeben, dass eine weitergehende medizinische oder therapeutische Unterstützung „derzeit fast ein Viertel der Kinder“ benötigten, sagt Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). Es seien also keine „Einzelfälle, die Förderbedarf in einem oder mehreren Förderschwerpunkten haben oder Assistenz bei der Medikamentengabe benötigen“. Die Politik sei nun in der Pflicht, „ein professionelles Schulgesundheitsmanagement mit dafür ausgebildeten Schulgesundheitsfachkräften zu etablieren und zu finanzieren“, betont er.