Walgeformt gegen das Wahlkampfkoma
Laut Studien haben viele Menschen seit Beginn der Coronakrise deutlich zugenommen. Medizinisch wird das als bedenklich eingestuft, doch im Herbst könnte die neue Körperfülle gewichtige Vorteile mit sich bringen, vor allem in Fußgängerzonen. Experten erwarten, dass diese sich vor der Bundestagswahl in Hotspots der aufdringlichen Drögheit verwandeln werden – aber der wohlgeformte Post-Lockdown-Mensch ist vorbereitet.
Wie üblich werden gewiefte Wahlkämpfer versuchen, Passanten mit inhaltslosen Phrasen in den Schlaf zu labern. Die Opfer sollen entweder völlig umnachtet ihre Wahlentscheidung ändern oder bis zum Wahltag nicht wieder aufwachen. Wer sich im Lockdown konsequent ernährt hat, entgeht der versuchten Vollnarkose jedoch spielend schwer – ein Bauchumfang von zwei Metern gewährleistet automatisch eine sichere Distanz zum Hobby-Anästhesisten. Versucht er, nahezukommen, wird er zunächst freundlich abgedrängt, im Notfall zerquetscht.
Angesichts der Bedrohung ist Speck eine Frage der Solidarität: Der Herdenschutz funktioniert nur, wenn die Fußgängerzone zu mindestens 85 % mit Gutgenährten gefüllt ist. Dann sind auch Leichtgewichte sicher, die aus medizinischen Gründen keine Kilos aufbauen können. Beim kleinsten Warnsignal – etwa der Frage „Haben Sie eine Minute?“ – verschwinden sie flink in der Masse der Massigen. Ein weiterer Vorteil der kollektiven Kugeligkeit: Niemand kann die betäubend langweiligen Wahlplakate am Straßenrand sehen, Passanten bleiben von nebulösen Allgemeinslogans verschont.
Die Formel zur solidarischen Traumfigur lautet AHA+L (Appetit, Hunger, Appetit und Langeweile), sie sollte aus dem Lockdown bekannt sein und weiterhin strikt in den Alltag integriert werden. Der abwechslungsreiche Speiseplan umfasst Süßigkeiten und Knabberzeug, gelegentlich ist eine gelieferte Pizza ratsam (Hinweise hierzu auf S. 3). Sollte statt des Lieferanten doch mal ein Wahlkämpfer vor der Tür stehen, reicht ein Schritt auf die Türschwelle, um den Weg in die Wohnung zu versperren.
Isabel Aulehla
Redaktion Gesundheitspolitik