Kommentar Wenn die „Perlen“ einfach abwandern
Ich dachte gerade, ich hätte die richtige Praxis gefunden, da poppte die Meldung auf: „Nachdem es uns trotz intensiver Suche nicht gelungen ist, ausreichend Fachpersonal für unsere Praxis zu finden, sehen wir uns gezwungen, die Praxis zum 31.12.2023 zu schließen.“
Dann hörte ich mir den Podcast einer Kollegin an. „Hausarzt in Rente“ fand ich interessant (ab 22. Februar in unserer Reihe O-Ton Allgemeinmedizin). Der Podcast ist schön. Nicht so schön ist die Stelle, an der Dr. Fritz Meyer im Nebensatz erwähnt, dass eine der Hausarztpraxen in seinem Ort u.a. deswegen schließen musste, weil zwei der MFA gleichzeitig schwanger wurden und sie keinen Ersatz fanden.
Das Problem ist keineswegs neu. Im Mai 2023 meldete z.B. die KV Brandenburg, dass mehr als die Hälfte der Brandenburger Vertragsärzte in den vorhergehenden zwölf Monaten ihre offenen MFA-Stellen nicht besetzen konnten. Schon vor zwei Jahren habe ich in einem Kommentar über die Sorgen um den begrenzenden Faktor „Fachkräfte“ geschrieben. Weil er für die Praxen existenziell ist.
Nun: Wo Mangel besteht, muss Nachschub folgen. Im vergangenen Jahr wurden allerdings fast 600 Ausbildungsverträge weniger im Beruf der Medizinischen Fachangestellten abgeschlossen (2023: 16.071; 2022: 16.656). Damit hat sich die „Kauffrau für Büromanagement“ an den MFA vorbei wieder auf Platz 1 der dualen Ausbildungsberufe gearbeitet, die MFA konnte ihre Poleposition nur zwei Jahre lang halten.
Im Rahmen der laufenden MFA-Tarifverhandlungen hat der Verband medizinischer Fachberufe (vmf) gerade zu einem Warnstreik aufgerufen. Zum ersten Mal nicht gemeinsam mit, sondern gegen ihre Arbeitgeber. Die Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Arzthelferinnen/Medizinischen Fachangestellten habe sich in den bisherigen Verhandlungsrunden nur minimal bewegt, erklären die MFA. Berufseinsteigerinnen würden unterhalb des Mindestlohns für Pflegehilfskräfte bleiben und MFA im 17. Berufsjahr in der höchsten Tätigkeitsgruppe erhielten gerade mal 0,1 % Erhöhung, da die Zuschläge reduziert werden sollen. Auch um Inflationsausgleich und Sonderzahlungen muss gerungen werden.
Und wenn die MFA nicht nur den Kauffrauen, sondern auch ihren Arbeitgebern unterlegen bleiben? Weil manche sich die hohen Lohnkosten vielleicht nicht leisten können? Dann dürfte sich der Abwanderungstrend fortsetzen. Was viele Praxen wissen und fürchten und sich auch deswegen mit ihren Mitarbeitenden solidarisch erklären. Trotz fehlender Gegenfinanzierung.
Ich wünschte, MFA würden Traktoren zu ihrem Arbeitsgerät zählen. Dann würde ihr Protest mehr Gewicht haben – gegenüber schwerhörigen Arbeitgebern, aber insbesondere auch gegenüber der Politik, die sich dieser Fehlentwicklung stellen müsste.
Anouschka Wasner
Redakteurin Gesundheitspolitik