Winterblues mit Corona-Regurgitation
Mitten im Corona-Dunkel schickte uns Putin auch noch seinen eisigen Ostwind herüber. Daraus folgte – zumindest hier in der Lausitz – ein Jahrhundert-Winter. Ich habe „Rücken“ vom Schneeschieben und wäre schon längst zum Doktor gegangen, wenn ich nicht selber einer wäre. In Anlehnung an Grönemeyers Zeile „Wann ist ein Mann ein Mann?“ frage ich mich jetzt: „Wann geht ein Arzt zum Arzt?“
Stattdessen befolge ich den von mir meist gegebenen Ratschlag an meine Rückenpatienten: Heizkissen, Ibu 600 und Spazierengehen. Ach, wie sehr wünsche ich mir meine Sportgruppe zurück. Drei Mal in der Woche Zumba, als einziger Mann unter lauter gut gelaunten Frauen – ein Traum! Stattdessen zauberten unser Oberen ein paar hässliche Mutanten aus dem Hut. Und das heißt: No sports und bis auf Weiteres einsam und Rücken. Man fühlt sich wie ein Goldgräber, der im Schein seiner Funzel schon die Ader blinken sah, bevor der Erdrutsch kam.
Auch mit den Patienten macht das was. Also der eisige Winter und die Mutanten. Es beschert ihnen Stress. Deshalb sehe ich in meiner Vormittagssprechstunde vor allem zwei Symptome: entgleister Bluthochdruck und chronische Gastritis. Oft mit Reflux. Irgendwie muss es der Körper ja ausdrücken, dass er sich in solchen Zeiten nicht wohlfühlt.
Nun habe ich immer noch einige meiner alten Professoren von der Charité im Ohr, die jeden durch die Innere-Prüfung fallen ließen, der behauptete, dass Wetter und Blutdruck zusammenhängen. Fast dreißig Jahre Hausarztpraxis belehrten mich eines Besseren. Je kälter der Winter, desto höher der Blutdruck. Selbst bei sonst gut eingestellten Patienten. Was eigentlich kein Wunder ist. Ein Drucksystem (Blutdruck) in einem übergeordneten Drucksystem (Wetter).
Deshalb ist es mein täglicher Job, die emsig (weil eben inhäusig) selbst messenden und besorgten Menschen zu beruhigen und bei ihren Tabletten eine Winter- und eine Sommerdosis festzulegen. Die Alternative wäre Gewichtsabnahme und Sport. Aber: siehe oben!
Und dass die Magensäure ansteigt wie das blubbernde Wasser in einem überkochenden Nudeltopf, ist ja auch kein Wunder. Tut unsere Regierung doch alles, um die Angst ihrer Untertanen am Köcheln zu halten. Was soll das Gerede von 30–70 % ansteckenderen Mutationen von SARS-CoV-2? Was sollen denn die Menschen noch alles über sich ergehen lassen, um sich oder irgendwen anders zu schützen? Sie sind doch schon eingesperrt.
Der Körper wehrt sich jedenfalls gegen diese permanente Angst, sei es durch hochkochende Magensäure, ansteigenden Blutdruck oder gar durch Depressionen. „Kollateralschäden“, die vor allem die Schwächsten treffen. Laut einer Folgebefragung der Hamburger Uniklinik hat die Belastung für Kinder durch den zweiten Lockdown noch einmal zugenommen. Jedes dritte Kind leidet an psychischen oder psychosomatischen Störungen. Vor der Pandemie waren es um die 20 Prozent, was auch schon zu denken geben müsste im reichen Deutschland.
Und wenn dann Gesundheitsminister Spahn auch noch öffentlich zugeben muss, dass sich überall die Großkopferten bei den knappen Impfungen vordrängeln und damit ungestraft ihr Amt missbrauchen auf Kosten derer, die sie uns zu schützen mahnen, dann kocht des Volkes Seele. Dann wirkt es wie Öl ins Feuer, wenn die Inzidenzschwelle auf 35 abgesenkt wird und RKI-Chef Wieler im Fernsehen davon schwärmt, wie schön doch eine Inzidenz von 10 wäre, bevor man wieder öffentliches Leben in Deutschland zulässt. Man fragt sich: Wie abgehoben kann man sein, wenn man auf der Karriereleiter ganz oben angekommen ist?
Aber bevor ich jetzt darüber nachgrübele, gehe ich lieber eine Runde spazieren, denke an meine Zumba-Mädels und freue mich aufs Heizkissen nach den neun Grad minus da draußen. Man muss es sich halt so schön machen, wie es geht.