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„Abstruse Entscheidung“ – DGN kritisiert US-Zulassung für Antikörper

Aducanumab ist ein monoklonaler Antikörper, der die Blut-Hirn-Schranke passiert und selektiert aggregiertes ß-Amyloid (Aß) angreift. Entwickelt wurde er „aus dem Blut erfolgreich gealterter Patienten, die im Laufe ihres Lebens keine Alzheimer-Demenz entwickelt haben“, erklärte Professor Dr. Jörg Schulz, Direktor der Neurologie an der RWTH Aachen. Eine erste kleine Phase-1b-Studie ergab nicht nur, dass der Antikörper die Amyloid-Last im ZNS dosisabhängig deutlich reduzierte, sondern weckte auch die Hoffnung, dass dies mit einer Verlangsamung des geistigen Abbaus einhergehen könnte. Die Teilnehmer wurden weiter beobachtet – Amyloid- und Kognitionsstabilisierung hielten an.
Mit den zwei placebokontrollierten Studien identischen Designs, ENGAGE und EMERGE getauft, und zwei Dosierungsschemata (3–6 mg/kgKG und 6–10 mg/kgKG) ging es in Phase 3 der klinischen Entwicklung. Eingeschlossen waren Patienten mit milden kognitiven Defiziten (MCI) oder leichter Demenz infolge einer Alzheimererkrankung, zu zwei Dritteln ApoE4-Carrier und alle mittels PET auf erhöhte Aß-Level im ZNS getestet. Im März 2019 stoppten beide Studien mit dem Argument, Aducanumab könne das Ziel, das Fortschreiten der Demenz zu stoppen, nicht mehr erreichen.
Ansprechen nur eine Frage der Dosierung?
So hieß es in einer Pressemitteilung. Ein halbes Jahr später folgte die Kehrtwende: Man habe weitere Patienten ausgewertet und in EMERGE – nicht aber in ENGAGE – beim primären Endpunkt CDR-SB (Clinical Dementia Rating – Sum of Boxes) eine signifikante Verbesserung gesehen. Tatsächlich waren bei der zweiten Analyse in EMERGE 982 statt 803 und in ENGAGE 1084 statt 945 Patienten eingeschlossen worden.
Ein Schlüssel zum Verständnis der Diskrepanz zwischen den beiden Untersuchungen liegt darin, dass in EMERGE am Studienende mehr Patienten auf Hochdosis waren als in ENGAGE, berichtete Prof. Schulz. Womöglich haben sie schneller von der Therapie profitiert. In ENGAGE fiel die Auswertung neutral aus. Es zeigte sich nicht der geringste Benefit außer bei der Subgruppe von Patienten, die mindestens zehnmal die 10-mg/kgKG-Dosis erhalten hatten.
Kontroverse in den USA
- Die Korrelation des benutzten Surrogatparameters Amyloidrückgang mit dem kognitiven Abbau sei nicht nachgewiesen.
- Es fehle eine konkrete Vereinbarung zwischen Behörde und Unternehmen, wie und wie schnell das Medikament weiter untersucht werden muss, um einen klinischen Nutzen zu dokumentieren.
- Die Indikation für das Präparat müsse sich auf die Patienten beschränken, die in den Studien untersucht wurden. Die FDA hatte Aducanumab eine breite Zulassung für praktisch alle Alzheimer-Patienten erteilt. Inzwischen hat sie das teilweise revidiert.
Zulassungsantrag bei der EMA eingereicht
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie bewertet Aducanumab kritisch. „Die Reduktion der Amyloid-Plaques ist nicht gleichbedeutend mit einer klinischen Wirksamkeit“, heißt es in einer Pressemitteilung unter Verweis auf initial negative Studienergebnisse, Studienabbrüche und Post-hoc-Analysen als Zulassungsgrundlage. DGN-Pressesprecher Professor Dr. Christoph Diener, Essen, verwies außerdem auf die hohen Jahrestherapiekosten von 56.000 $. Würden nur 5 % der US-Alzheimerpatienten behandelt, resultierten 17 Milliarden $ pro Jahr – da seien die Kosten für monatliche Infusionen, neurologische und MRT-Kontrollen noch nicht eingerechnet. „Das deutsche Gesundheitssystem würde kollabieren“, so Prof. Diener. „Warum die FDA diese abstruse Entscheidung getroffen hat, weiß ich nicht.“ In Europa ist der Zulassungsantrag für Aducanumab bei der EMA eingereicht; ob und wann ihm stattgegeben wird, steht in den Sternen.Kongressbericht: 94. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie – Live. Interaktiv. Digital
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