Adenoviren können immunsupprimierten Kindern sehr gefährlich werden

Dr. Alexandra Bischoff

Ordentlich aufgereiht sammeln sich die 
Virionen (rot) im Zellkern. Ordentlich aufgereiht sammeln sich die Virionen (rot) im Zellkern. © Science Photo Library/Gelderblom, Dr. Hans/Visual Unlimited

Ob Schnupfen, Halsweh oder Durchfall – hinter den meisten Virusinfektionen im Kindesalter stecken Adenoviren. Während immungesunde junge Patienten in der Regel milde Verläufe haben, kann sich bei abwehrgeschwächten die Situation dramatisch zuspitzen.

Jeder Mensch macht vermutlich bereits in der Kindheit die Bekanntschaft mit humanen Adenoviren (HAdV) – viele sogar mehrfach. Denn durch Rekombination können die Viren einer bestehenden Immunität entkommen und zudem neue pathogene Eigenschaften erwerben, schreibt Privatdozent Dr. Albert Heim vom Adenovirus Konsiliarlabor des Instituts für Virologie der Medizinischen Hochschule Hannover.

Bislang sind über 100 Typen der sieben humanen HAdV-Spezies (A–G) aus der Familie Adenoviridae bekannt, die aufgrund der hohen Diversität nahezu jedes Organ befallen können und für eine Vielzahl von Krankheitsbildern verantwortlich sind (s. Tabelle). In den meisten Fällen handelt es sich um okulären, respiratorischen und gastrointestinalen Befall. Deutlich häufiger als bei Erwachsenen folgt bei Kindern auf die akute Phase eine symptomfreie latente Infektion mit intermittierenden Phasen der Virusausscheidung, die nach einigen Monaten bis Jahren ausheilt.

Häufige Varianten der Adenovireninfektion beim Kind
ErkrankungHAdV-Spezies häufige Typen
Infektionen der oberen Atemwege, auch mit BegleitenteritisC1, 2, 5, 6
schwere, v.a. tiefe Atemwegsinfektionen, atypische PneumonienB bzw. E3, 7, 14, 21, 55 bzw. 4
Pharyngokonjunktivitis, follikuläre KonjunktivitisB bzw. E3, 7, 14, 21, 55 bzw. 4

Keratokonjunktivitis

D8, 37, 53, 64
Gastroenteritis bei KleinkindernF40, 41
Gastroenteritis (oft kleinere Epidemien bei Kindergarten- und Schulkindern)A12, 18, 31
ZystitisB11, 34, 35
disseminierte Infektionen bei Immunsuppression C bzw. A1, 2, 5, 6 bzw. 31

Schwere Organmanifestationen auch bei Neugeborenen

Zeigt sich eine Infektion bei Immunsupprimierten, handelt es sich überwiegend um eine endogene Reaktivierung, daher trifft es immungeschwächte Kinder häufiger als immunsupprimierte Erwachsene. Vor allem Kinder nach allogener hämatopoetischer Stammzelltransplantation (HSZT) sind anfällig für disseminierte Erkrankungen, die mitunter lebensbedrohlich verlaufen können. Selten werden schwere Organmanifestationen auch bei Neugeborenen beobachtet – vermutlich aufgrund eines unreifen Immunsystems und fehlendem Nestschutz gegen bestimmte Adenoviren.

Atemwegserkrankungen (mit Begleitenteritis)

In den ersten Lebensjahren dominieren vor allem Atemwegserkrankungen mit den Symptomen einer typischen Erkältung bzw. eines grippalen Infekts. Die Infektionen treten auch außerhalb der kalten Jahreszeit und häufig zusammen mit einer Begleitenteritis auf. Nicht selten wird eine exsudative Adenovirustonsillitis mit einer Streptokokkeninfektion verwechselt und unnötigerweise mit Antibiotika behandelt. Schwerere Verläufe mit hohem Fieber und Bronchitis bis hin zu atypischen Pneumonien kommen eher bei älteren Kindern und Jugendlichen vor.

Augenerkrankungen

Je nach HAdV-Typ können primär die Augen betroffen und kann die Entzündung wie bei der follikulären Konjunktivitis auf die Bindehaut beschränkt sein. Deutlich seltener entwickeln Kinder eine Keratokonjunktivitis (meist einseitig), die wegen ihres schweren Verlaufs und lang anhaltender Visusbeeinträchtigungen gefürchtet ist. Meldepflicht besteht für den direkten Labornachweis von Adenoviren im Konjunktivalabstrich.

Darmerkrankungen

Adenoviren sind nach Rota- und Noroviren die dritthäufigsten Erreger von viralen Durchfallerkrankungen bei Kindern, häufig in Kombination mit Fieber und Erbrechen. Selten kommt es aber zu lebensbedrohlichen Wasser- und Elektrolytverlusten wie bei Infektionen mit Rotaviren.

Die Diagnostik bei schweren Adenovirusinfektionen erfolgt mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR), wobei man die Tests für den einzelnen Patienten möglichst immer im selben Labor durchführt. Eine Therapie empfiehlt sich bereits bei Viruslas­ten im Bereich einiger Tausend Kopien/ml. Immungesunde Patienten werden in der Regel symptomatisch behandelt. In Einzelfällen (schwere Pneumonie oder andere Organmanifestationen) kann ein Versuch mit Cidofovir erfolgen. Immunsupprimierte Kinder nach HSZT erhalten ein regelmäßiges Viruslastscreening, das eine präemptive antivirale Therapie (Cidofovir) ermöglicht.

Da Adenoviren hitzelabil, aber sehr stabil gegenüber Detergenzien sowie einigen Alkoholen sind, nutzen neben thermischen Desinfektions- bzw. Sterilisationsverfahren ausschließlich Desinfektionsmittel aus der Kategorie „viruzid“ und „begrenzt viruzid plus“. Eine Impfung gibt es bislang nicht.

Quelle: Heim A. Monatsschrift Kinderheilkunde 2020; 168: 514-523; DOI: 10.1007/s00112-020-00909-9

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Ordentlich aufgereiht sammeln sich die 
Virionen (rot) im Zellkern. Ordentlich aufgereiht sammeln sich die Virionen (rot) im Zellkern. © Science Photo Library/Gelderblom, Dr. Hans/Visual Unlimited