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ADHS im Vorschulalter mit Stimulanzien oder Alpha-2-Agonisten bändigen?

Zur medikamentösen Behandlung der ADHS im Vorschulalter empfehlen die Leitlinien der American Academy of Pediatrics zunächst Stimulanzien wie Methylphenidat, schreibt Dr. Tanya Froehlich, University of Cincinnati College of Medicine. Wirken diese nicht oder werden sie nicht vertragen, kommen Alpha-2-Agonisten wie Guanfacin auf den Plan. Andere Expertengruppen sehen Alpha-2-Agonisten bei einigen ADHS-Vorschulkindern als Initialtherapie – und zwar bei denen mit stark oppositionellem Verhalten oder erhöhter Reizbarkeit.
Vergleichsstudien bezüglich Wirksamkeit und Nebenwirkungen der beiden medikamentösen Therapieansätze gibt es bisher keine. Diese Lücke wollte nun eine Arbeitsgruppe um Dr. Elizabeth Harstad vom Boston Children’s Hospital mit einer retrospektiven Datenanalyse schließen.
Größere Unterschiede bei den Nebenwirkungen
Die Daten von 497 ADHS-Vorschulkindern aus sieben pädiatrischen Spezialpraxen für Verhaltens- und Entwicklungspsychologie waren eingeschlossen. Das mittlere Patientenalter betrug 62 Monate, 409 waren Jungen. 175 hatten initial Alpha-2-Agonisten verschrieben bekommen, 322 Stimulanzien.
Die Mehrzahl aller Kinder profitierte von der medikamentösen Behandlung, 66 % derjenigen mit Alpha-2-Agonisten, 78 % derer mit Stimulanzien. Allerdings unterschieden sich die beiden Wirkstoffe hinsichtlich der Nebenwirkungen. Alpha-2-Agonisten führten häufiger zu Tagesmüdigkeit (38 % vs. 3 %), Stimulanzien dagegen vermehrt zu Reizbarkeit und Launenhaftigkeit (50 % vs. 29 %), Appetitverlust (38 % vs. 7 %) und Schlafstörungen (21 % vs. 11 %).
Die Daten unterstützen die in den USA von Experten empfohlene Vorgehensweise, ADHS-Vorschulkinder mit ausgeprägt oppositionellem Verhalten oder Reizbarkeit primär mit Alpha-2-Agonisten zu behandeln. Die Studie hat jedoch, wie die Autoren selbst anmerken, zahlreiche Limitationen. Aufgrund des Studiendesigns gab es natürlich weder Randomisierung noch Verblindung. Die offene Auswahl der Medikation kann die spätere Beurteilung von Effekten und Nebenwirkungen beeinflusst haben. Zudem sind in ADHS-Spezialpraxen behandelte Patienten nicht unbedingt repräsentativ für die Gesamtpatientenpopulation.
Trotzdem ist diese retrospektive Untersuchung ein Schritt in die richtige Richtung, betont Dr. Froehlich. Als erste Vergleichsstudie zwischen den beiden medikamentösen Behandlungsoptionen sorge sie für wertvolle Informationen, um weitere, randomisierte Studien planen zu können.
1. Froehlich TE. JAMA 2021; 20: 2049-2050; DOI: 10.1001/jama.2021.5603
2. Harstadt E et al. A.a.O.; 2067-2075; DOI: 10.1001/jama.2021.6118
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