Alternativen für die ADHS-Therapie bei Vorschulkindern

Therapeutisch setzen Pädiater zunehmend auf Alpha-2-Adreno­rezeptoragonisten wie Guanfacin oder Clonidin. Allerdings ist deren Wirksamkeit und Sicherheit bei unter Sechsjährigen bisher nicht erwiesen.

US-amerikanische Wissenschaftler haben nun versucht, mit einer retrospektiven Studie Licht ins Dunkel zu bringen. Als Grundlage für ihre Analyse nutzten sie die elektronischen Krankenakten von fast 500 Kindern mit der Diagnose ADHS. Alle waren zu Beginn der Therapie noch keine sechs Jahre alt und wurden in pädiatrischen Spezialpraxen behandelt. Ein Drittel der jungen Patienten erhielt als primäre Medikation einen Alpha-2-Adrenorezeptor­agonisten, überwiegend Guanfacin. Zwei Drittel der Probanden wurden mit einem Stimulans behandelt, zumeist Methylphenidat.

Beide Ansätze führten mehrheitlich zu einer Linderung der Symptome, wenn auch in unterschiedlicher Effektstärke. Mit Alpha-2-Adrenorezeptoragonisten­ erfuhren 66 % der ADHS-Kinder eine Besserung ihrer Beschwerden, mit Stimulanzien gelang dies sogar bei 78 %. Das Nebenwirkungsprofil sprach hingegen eher für die Sympathomimetika: Lediglich Tagesschläfrigkeit trat unter Letzteren vermehrt auf (38 % vs. 3 %). Viele andere unerwünschte Effekte waren in der Stimulanziengruppe häufiger, darunter erhöhte Reizbarkeit, Einschlafstörungen, verringerter Appetit und Magenschmerzen.

Pharmakotherapie in ein Gesamtkonzept einbinden

Die Studien­­autoren weisen darauf hin, dass eine retrospektive Auswertung pädiatrischer Krankenakten nur Schätzungen ermöglicht. Die genaue Wirksamkeit der Alpha-2-Adrenorezeptoragonisten bei unter Sechsjährigen kann nur im Rahmen von prospektiven randomisierten Studien erfasst werden, betonen Dr. Elizabeth­ Harstad­ vom Boston Children’s Hospital und Kollegen.

In Deutschland ist die ADHS-Therapie mit Guanfacin und Methylphenidat laut Fachinformation erst ab sechs Jahre zugelassen, sie muss im Kindergartenalter also off label erfolgen. Der Alpha-2­-Adrenorezeptoragonist darf eingesetzt werden, wenn Stimulanzien nicht infrage kommen, eine Unverträglichkeit vorliegt oder die Substanzen unwirksam sind. Außerdem muss die medikamentöse Behandlung in ein therapeutisches Gesamtkonzept (psychologisch, päd­agogisch und psychosozial) eingebettet sein.

Quelle: Harstad E et al. JAMA 2021; 325: 2067-2075; DOI: 10.1001/jama.2021.6118