Adjuvanzien für die Immuntherapie sind zu wenig untersucht

Dr. Susanne Gallus

Adjuvanzien ermöglichen, die SCIT stärker in Richtung einer Impfung zu optimieren. Adjuvanzien ermöglichen, die SCIT stärker in Richtung einer Impfung zu optimieren. © Science Photo Library/PHANIE/VOISIN

Adjuvanzien spielen bei der Immuntherapie eine wichtige Rolle. Sie erhöhen die Immunogenität des Allergens und senken gleichzeitig das Risiko einer Anaphylaxie. Vier Substanzen werden in Europa eingesetzt, doch nicht alle sind wirklich gut untersucht. Experten geben in ihrem Posi-tionspapier eine Übersicht.

Im Gegensatz zu den USA werden in Europa für die subkutane Allergenimmuntherapie (SCIT) primär keine Allergenextrakte auf Wasserbasis mehr verwendet. Stattdessen kommen Gemische mit Adjuvanzien zum Einsatz, die u.a. durch eine Verzögerung der systemischen Allergenaufnahme das Risiko für anaphylaktische Reaktionen reduzieren. Die Substanzen unterscheiden sich in ihrer Wirkungsweise und daher z.B. auch in der Anzahl der benötig­ten Injektionen.

Hersteller rücken mit manchen Infos nicht raus

Das Problem einer generellen Beurteilung ist, dass z.B. große direkte Vergleichsstudien zwischen Allergenextrakten sowie innerhalb der Hilfssubstanzen fehlen, bemängeln Professor Dr. Erika Jensen-Jarolim vom Zentrum für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie an der Medizinischen Universität Wien und Kollegen. Außerdem geben die Hersteller das genaue Verhältnis von Adjuvans und Allergen oft nicht preis, was Vergleiche zusätzlich erschwert.

Derzeit kommen in Europa vier Hilfssubstanzen zum Einsatz, zahlreiche weitere befinden sich in der Pipeline. Prof. Jensen-Jarolim und ihr Team haben zusammengetragen, was man bisher weiß.

Aluminiumhydroxid (Al(OH)3) und seine Derivate sind die ältesten und am meisten verwendeten Adjuvanzien. Sie bewirken neben der Depotwirkung für das Allergen ein Boostern der Th2-Antwort. In den in Deutschland erhältlichen Produkten liegen sie in Konzentrationen zwischen 0,01–1,14 mg/ml vor.

Da der Stoff bereits seit den 1930ern eingesetzt wird, weiß man mehr als bei allen anderen Adjuvanzien über die Nebenwirkungen, was tendenziell – und eventuell auch unberechtigt – ein schlechteres Licht auf ihn wirft, betonen die Autoren. Als Lokalreaktion können Granuloma auftreten, möglicherweise infolge einer verzögerten Hypersensitivität. Zu Kontaktallergien kommt es nur selten, Fälle einer akuten Toxizität sind bei einer SCIT nicht bekannt.

Pro Woche nimmt ein Erwachsener je nach Region im Durchschnitt über das Essen 0,2–1,5 mg des Hydroxids zu sich. Obwohl der Großteil über die Nieren ausgeschieden wird, lagern sich etwa 1–2 % des resorbierten Al(OH)3 im Körper an. Durch eine dreijährige Standard-Immuntherapie würden folglich etwa 0,24 mg im Körper zurückbleiben. Über eine mögliche Langzeittoxizität wird anhaltend debattiert, z.B. ob das Mineral eine Alzheimer-Demenz begünstigt. Das Bundesministerium für Risikobewertung konnte keinen Zusammenhang zwischen einer erhöhten Aluminiumaufnahme und Alzheimer feststellen, eine aktuelle Metaanalyse errechnete aber eine Risikoerhöhung um 71 %.

Monophosphoryl-Lipid A (MPL) wurde aus dem Endotoxin von Salmonella minnesota entwickelt und befindet sich seit 1999 auf dem Markt. Durch Dephosphorylierung ist es deutlich weniger toxisch als das ursprüngliche Molekül, hat aber seine Funktion als Immunstimulator behalten.

Allergenität wird reduziert, Immunogenität bleibt gleich

Im Vergleich zum nativen Allergen-Präparat reduziert MPL die Allergenität bei gleichbleibender Immunogenität. Als Nebeneffekte treten lediglich lokale Irritationen (Rötungen, Schwellung, Juckreiz) auf. Es liegt ein Einzelbericht zu einem Fall vor, bei dem es in der Kombination mit L-Tyrosin nach der Injektion zu einem anaphylaktischen Schock kam. Für eine bessere Bewertung des Zusatzes braucht man aber weitere Studien, so die Experten.

Mikrokristallines Tyrosin erzeugt einen Depot-Effekt, ist gleichzeitig vollständig abbaubar und gut verträglich. Ähnlich wie Al(OH)3 triggert es die Interleukin(IL)-1β-Sekretion, erzeugte aber in Vergleichen im Mausmodell zumindest weniger anaphylaktische Reaktionen. Wie MPL verschiebt es die Immunreaktion zugunsten einer Th1-Antwort. Seit der Markteinführung 1970 wurden keine negativen Effekte hinsichtlich der Sicherheit beobachtet. Die Autoren vermuten, dass aufgrund der völligen biologischen Zersetzung des Stoffes auch in folgenden Studien keine Nebeneffekte auftreten.

Kalziumphosphat (CaP) gibt es als Trägersubstanz seit nunmehr 40 Jahren. Es findet sich – ähnlich wie Al(OH)3 – in zahlreichen Vakzinen (Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Polio) und scheint in diesen sogar effektiver zu sein als Aluminiumhydroxid. Es induziert keine IgE-, sondern eine IgG-Antwort und wird hauptsächlich für die Immuntherapie gegen Graspollen- oder Hausstaubmilbenallergien eingesetzt.

Kalziumphosphat wird zumeist gut vertragen

Die CaP-Mikrokristalle absorbieren dabei das in Wasser gelöste Allergen. Dadurch wird der Depoteffekt erzeugt und gleichzeitig die Phagozytose erleichtert. Wie alle mineralischen Adjuvanzien erhöht CaP die Ausschüttung von IL-1β und IL-18. Es scheint, dass die Immunantwort ausgeglichener verläuft als bei der Al(OH)3-getriggerten humoralen Th2-Reaktion. Zusätzlich hat Kalziumphosphat eine hohe Biokompatibilität und wird von den meisten Patienten sehr gut vertragen. Allerdings fehlen Daten, um eine potenzielle Toxizität final ausschließen zu können und es gegenüber anderen Trägern zu bewerten.

Wichtig bezüglich der Adjuvanzien – einschließlich derer, die sich noch in der Entwicklung befinden – ist, dass sie die Möglichkeit bieten, die subkutane Immuntherapie stärker in Richtung einer Impfung zu optimieren, betonen die Autoren. Denn bei aller Verträglichkeit der verfügbaren Präparate gefährde doch meistens das geringe Durchhaltevermögen der Patienten den Therapieerfolg am stärksten: Nur etwa jeder Fünfte erreicht laut einer Studie die Minimaldauer von drei Jahren.

Quelle: Jensen-Jarolim E et al. Allergy 2019; 75: 746-760; DOI: 10.1111/all.14134

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