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Aktualisierte Nationale Versorgungsleitlinie zum Typ-2-Diabetes veröffentlicht

Die Überarbeitung der NVL erfolgt modular. Daher beinhaltet die zweite Auflage deutlich mehr Kapitel, wobei die beiden ersten Kapitel von der Leitliniengruppe am höchsten priorisiert wurden und in diesem Artikel kurz diskutiert werden sollen.
1. Partizipative Entscheidungsfindung und Teilhabe in allen relevanten Lebensbereichen
Erstmals wird in einer NVL ein Kapitel vorangestellt, in dem die Grundsätze der Therapieplanung und -umsetzung unter Einbeziehung der Einstellungen, Wünsche und Bedürfnisse von Menschen mit Diabetes und deren Lebenskontexten skizziert werden. Das Kapitel ähnelt dem Entwurf des „Decision Cycles“ aus dem Konsensus-Statement „Management of Hyperglycemia in Type 2 Diabetes“ der ADA und EASD, versucht aber die einzelnen Dimensionen so praxisnah aufzubereiten, dass diese besser in die klinische Praxis integriert werden können. Der auf den ersten Blick etwas sperrige Titel „Partizipative Entscheidungsfindung“ (PEF) klingt im englischen mit „shared decision-making“ – wie auch andere verwandte Begriffe wie Selbstmanagement, Empowerment – prägnanter. Gemeint ist damit ein gleichberechtigter Interaktionsprozess und Dialog zwischen dem Patienten und der Ärztin bzw. dem Arzt mit dem Ziel, auf der Basis geteilter Informationen zu einer gemeinsam verantworteten Übereinkunft über die Therapieziele, -planung-, -umsetzung und -veränderung zu kommen. PEF entspricht damit der aktuellen Rechtsprechung des Patientenrechtegesetzes und dem Wunsch der meisten Bürger nach Teilhabe und Mitentscheidung bei wichtigen gesundheitlichen Fragen. Folgende Empfehlungen werden in der NVL formuliert:
- Menschen mit Typ-2-Diabetes und ihre Ärzte sollen initial und wiederholt im Erkrankungsverlauf gemeinsam individuelle Therapieziele vereinbaren und priorisieren.
- Bei der Aufklärung über Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten des Typ-2-Diabetes sollen die unterschiedlichen Optionen mit ihren Vor- und Nachteilen umfassend und in verständlicher Form dargestellt werden.
- Bei der Vereinbarung und Priorisierung der individuellen Therapieziele und der Evaluation der Therapiestrategie sollen personen- und umweltbezogene Kontextfaktoren berücksichtigt werden.
- Die Auswirkungen auf die Teilhabe in allen relevanten Lebensbereichen sollen berücksichtigt werden.
- Individuell mit dem Patienten vereinbarte Therapieziele sollen im Laufe der Behandlung regelmäßig und je nach Bedarf evaluiert und entsprechend den Ergebnissen weiterverfolgt oder angepasst werden.
- Der Arzt soll die individuellen Therapieziele und ggf. ihr begründetes Nicht-Erreichen – nachvollziehbar für den Patienten und betreuende Berufsgruppen – dokumentieren und zur Verfügung stellen.
- Bei Nicht-Erreichung individueller Therapieziele, die nach dem Konzept der partizipativen Entscheidungsfindung vereinbart wurden, sollen sowohl Kontextfaktoren des Patienten wie auch des Behandelnden berücksichtigt werden.
Das Kapitel zur PEF ist nicht umsonst am Anfang der NVL platziert, denn es beschreibt die grundsätzliche Behandlungsphilosophie der Diabetestherapie, die gleichermaßen für die medikamentöse wie auch die nicht-medikamentöse Therapie des Diabetes maßgeblich sein sollte. Durch die Beschreibung der verschiedenen Kontextfaktoren (z.B. Alter, Diabetesdauer, persönliches Lebensumfeld), die für die Entscheidung über die Therapieart und Therapieziele gerade bei Typ-2-Diabetes immens wichtig sind, definiert die NVL auch wichtige Voraussetzungen für eine personalisierte Diabetestherapie.
Koordination und Entwicklung
- Diagnostik und Differenzialdiagnostik, Epidemiologie
- nicht-medikamentöse Therapie, z.B.: Schulung, Gewichtsmanagement, Ernährungstherapie, körperliche Aktivität und strukturierte Bewegungsprogramme
- Folge- und Begleiterkrankungen, diabetische Erkrankungen, z.B. kardiovaskuläre und renale Erkrankungen, Neuropathie und diabetisches Fußsyndrom, Netzhautkomplikationen
- psychische Störungen
- Therapieplanung/Monitoring
- Versorgungskoordination
- Rehabilitation
- Hypoglykämie, akute hyperglykämische Entgleisungen, perioperatives Management.
2. Medikamentöse Therapie des Glukosestoffwechsels
Grundlage jeder Behandlung ist die nicht-medikamentöse Basistherapie (Schulung, Gewichtsmanagement, Ernährungstherapie, körperliche Aktivität und strukturierte Bewegungs- und Nichtraucherprogramme, Stressbewältigungsstrategien), deren Stellenwert in einem Extrakapitel diskutiert wird. Unter Berücksichtigung der individuellen Therapieziele, die ausführlich im Kapitel „Partizipative Entscheidungsfindung“ beschrieben werden (s.o.), richtet sich die medikamentöse Therapie vorwiegend nach dem Risiko bzw. dem Vorhandensein kardiovaskulärer und renaler Erkrankungen. Die in der NVL tabellarisch aufgeführten Risikofaktoren beruhen auf einem Expertenkonsens in Anlehnung an konsentierte Grenzwerte (z.B. für LDL-Cholesterin, Blutdruck, Körpergewicht) anderer Fachgesellschaften. Dabei ist eine umfassende integrative Beurteilung der beeinflussenden Risikofaktoren für den Einzelnen wichtig. Wegen der häufig vorhandenen Multimorbidität und der damit notwendigen Polypharmazie ist insbesondere bei Menschen mit Typ-2-Diabetes eine Priorisierung der Therapie absolut notwendig (Adhärenzproblematik!), wobei sich die glukosesenkende Pharmakotherapie dem Gesamtrisiko des Menschen anpassen sollte. Liegt kein besonderes Risiko vor, sollte Metformin das Mittel der ersten Wahl sein. Bei hohem kardiovaskulärem/renalem Risiko und bei relevanten kardio-renalen Komorbiditäten sollen Menschen ohne Kontraindikationen mit Metformin behandelt werden, aber je nach klinischem Status zeitnah oder simultan einen SGLT2-Hemmer (vorzugsweise bei Herzinsuffizienz) oder einen GLP1-Rezeptoragonisten als Organschutz erhalten. Diese konsentierten evidenzbasierten Empfehlungen wurden in der NVL ausführlich anhand der Analysen der wichtigsten randomisierten, kontrollierten Studien zu diesen Wirkstoffgruppen zusammengefasst. Damit konnten sich alle Fachgesellschaften auf gemeinsame Therapie-Algorithmen verständigen. Damit sind die NVL-Entscheidungshilfen den Konsensus-Empfehlungen der ADA/EASD sehr ähnlich. Abweichende Einschätzungen von Fachgesellschaften DDG/DGIM/DGK/DGfN und DEGAM/AkdÄ/DGP ergaben sich jedoch bei den HbA1c-, Blutdruck-, LDL-Zielwerten und dem Einsatz der Wirkstoffgruppen bei der Eskalation der Therapie (z.B. DPP4-Hemmer vs. Sulfonylharnstoffe, SGLT2-Inhibitoren und bei Insulinen: Insulin-Analoga vs. Human-Insuline). Auch bei der Strategie der Zielwerterreichung konnte kein durchgehender Konsensus der oben zitierten Fachgesellschaften erreicht werden. Dies wurde im Anhang der NVL von den verschiedenen Fachgesellschaftsgruppierungen entsprechend begründet.Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).