Algen - zwischen Superfood und potenziellem Gift

Ulrich Abendroth, Dr. Nadine Völxen

Auch Braun- und Rotalgen 
enthalten Chlorophyll und 
erscheinen deshalb oft grün. Auch Braun- und Rotalgen 
enthalten Chlorophyll und 
erscheinen deshalb oft grün. © thinkstock

Sie heißen Nori, Wakame oder Kombu, stammen aus dem Meer und landen immer öfter auf unseren Tellern: Algen. Die Wasserpflanzen werden vielfach als urgesunde Kost und Quelle für B-Vitamine, Omega-3-Fettsäuren und Jod angepriesen. Da ist auch etwas dran. Aber Vorsicht: Zu viel Tang kann schädlich sein.

Mit Rotalgen (Nori) umwickelte Maki-Sushi und Misosuppe mit einer Wakame genannten Braunalge als Einlage sind Freunden der japanischen Küche gut bekannt. Aber auch in Küstenregionen Europas kommen seit jeher Algen auf den Tisch, in Wales etwa in Form von „laverbread“, berichtet Dr. Jana Maria Knies vom Institut für Ernährung, Konsum und Gesundheit der Universität Paderborn.

Einsatz in Mikrobiologie und Lebensmittelherstellung

Doch solche Wasserpflanzen werden nicht nur als Gemüse verzehrt, sondern sie dienen auch als Grundstoff für Polysaccharide, die bei der Lebensmittelherstellung als Emulgatoren bzw. Verdickungs- und Geliermittel Einsatz finden. In der Mikrobiologie oder auch in der Pharmaindustrie werden ebenfalls Algenprodukte genutzt, ein Beispiel ist Agar-Agar.

Und in letzter Zeit werden auch ein- oder mehrzellige Mikroalgen als Nahrungsergänzungsmittel und „functional food“ an den Mann bzw. die Frau gebracht, etwa in Form von Pulver und Tabletten. Da Mikroalgen der Spezies Chlorella und Spirulina als proteinreich gelten, empfiehlt man sie z.B. Sportlern und Veganern.

Nährstoffquelle für Vegetarier

Weil alle Algensorten einen hohen Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren aufweisen, können sie für Vegetarier und Veganer, die auf Seefisch verzichten wollen, eine wichtige Quelle dieser Substanzen sein. Zudem enthalten Algen fett- und wasserlösliche Vitamine. Die Gehalte sind aber je nach Algenart sehr verschieden, schreibt Dr. Knies. So enthält die Mikroalge Spirulina im Schnitt 160 µg Vitamin B12 pro 100 g Trockenmasse, die Makroalge Undaria pinnatifida (Wakame) aber nur 0,25 µg. Allerdings ist darauf zu achten, dass das Vitamin B12 in der Alge bzw. dem Algenprodukt in der biologisch aktiven, für den Menschen verwertbaren Form vorliegt und nicht in der inaktiven (B12-Analoga oder Pseudo-B12).

Nach Fukushima: Sind japanische Algen riskant?

Algen speichern nicht nur gesunde Mineralien, sondern auch radioaktive Stoffe wie Jod und Cäsium. Und solche strahlenden Substanzen gelangten nach der Katastrophe im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi am 11. März 2011 zuhauf ins Meerwasser. Also besser auf Sushi und Süppchen mit original japanischen Nori oder Wakame verzichten? Die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Jana Maria Knies gibt Entwarnung. Bereits seit dem 25. März 2011 würden EU-weit spezielle Einfuhrvorschriften für Lebensmittel aus Japan gelten. In diesem immer wieder aktualisierten Regelwerk seien Höchstgehalte für bestimmte radioaktive Substanzen festgelegt. Daher besteht aus Sicht der Expertin „in dieser Hinsicht für Verbraucher in der EU keine Gefährdung“.

Von den essbaren Makroalgen enthalten Enteromorpha (Nori) und Porphyra (Seegras) viel biologisch aktives B12, berichtet die Ernährungswissenschaftlerin. Bei den Mikroalgen trifft das nach ihren Angaben jedoch nur auf Chlorella zu und nicht auf Spirulina. Makroalgen sind reich an Mineralstoffen wie Kalzium, Magnesium und Natrium. Eine Portion Nori-Blätter (8 g) enthält mit 5,4 mg sogar mehr als doppelt so viel Eisen wie ein Viertelpfund Rinderfilet (2,3 mg). Die Bioverfügbarkeit von Eisen aus Algen ist jedoch geringer als bei tierischen Produkten.

Jodgehalt einiger Algensorten bedenklich

Viele der Meerespflanzen, besonders Braunalgen, weisen auch einen hohen Jodgehalt auf und könnten daher zur ausreichenden Versorgung mit diesem essenziellen Spurenelement beitragen. Doch Vorsicht: Die Gehalte an diesem Mineralstoff schwanken stark. So kann bereits durch den Verzehr von 10 g einer sehr jodreichen Alge die obere tolerable Zufuhr von 0,5 mg/Tag deutlich überschritten werden, warnt die Expertin. Um ernsthafte Schäden, besonders der Schilddrüse, zu verhindern, empfehle das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) dringend, getrocknete Algenprodukte mit einem Jodgehalt ≥ 20 mg/kg für nicht verkehrsfähig zu erklären. Bei in Deutschland zugelassenen Nahrungsergänzungsmitteln bestehe aber bei sachgemäßer Einnahme kein Risiko einer Überdosierung. Algen lagern aus dem Meereswasser nicht nur essenzielle Mineralstoffe ein, sondern auch giftige Schwermetalle. So wurden relativ hohe Gehalte an Blei, Cadmium und Arsen gemessen. Es sei aber nicht davon auszugehen, dass es durch Verzehr in üblichen Mengen zu Vergiftungserscheinungen komme, meint Dr. Knies. Bei langfristigem Algenkonsum wolle das BfR ein potenzielles Gesundheitsrisiko allerdings auch nicht ausschließen. In diesem Zusammenhang bemängelt die Wissenschaftlerin, dass es in Deutschland – anders als etwa in Frankreich – keine zulässigen Höchstmengen für möglicherweise gesundheitsschädliche Stoffe in den Meerespflanzenprodukten gebe. Insgesamt gesehen könnten Algen also den Speiseplan bereichern, aber auf einen exzessiven Verzehr dieser Pflanzen und von daraus gewonnenen Supplementen sollte verzichtet werden, rät die Expertin. Das gelte besonders für unzureichend deklarierte Produkte, etwa aus Asien.

Knies JM. Ernährungs Umschau 2017; 2: M84-M93

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Auch Braun- und Rotalgen 
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