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Ciguatera: Elektrisierender Penisschmerz vom Essen

Wegen massiver, elektrisierender Schmerzen im Bereich des Penis sowie Kribbelparästhesien an Hand- und Fußflächen kam ein 28-Jähriger in die Notfallstation. Zwei Wochen zuvor hatte er während eines Urlaubs in der Dominikanischen Republik auf ein Fischgericht mit Bauchschmerzen, Übelkeit und wässrigem Durchfall reagiert. Als die gastrointestinalen Beschwerden nach wenigen Tagen nachließen, bemerkte er Parästhesien im Bereich der Lippen, der Zunge und der Hände. Die Symptome verstärkten sich bei Kälte, schreiben Jannis Müller und Dr. Sabine Majer vom Kantonsspital Münsterlingen.
Zeitgleich traten immer wieder massive Schmerzen im Bereich des Perineums sowie starker Harndrang auf, sie ließen nach zwei bis drei Stunden jedoch wieder nach. Alle Untersuchungsergebnisse waren unauffällig. Aufgrund der Reiseanamnese und der Klinik wurde die Verdachtsdiagnose Ciguatera-Intoxikation gestellt und die Schmerzsymptomatik mit Gabapentin behandelt.
Weltweit erkranken etwa 10 000 bis 50 000 Menschen pro Jahr an der Ciguatera-Krankheit, wobei die Dunkelziffer vermutlich deutlich größer ist. Zwar kommt sie in unseren Breitengraden selten vor. Sie nimmt jedoch aufgrund von Klimaerwärmung, Reisefreudigkeit und weltweitem Fischhandel immer mehr zu, sodass es mittlerweile auch Urlauber am östlichen Mittelmeer oder auf den Kanarischen Inseln treffen kann. Das hochpotente Cigua-Toxin (CTX) gelangt über kleine algenfressende in karnivore größere Fische und dann auf den Teller.
Neuropsychiatrische Folgen können jahrelang persistieren
Die Intoxikation führt innerhalb von 6–24 Stunden zu akuten gastrointestinalen Beschwerden. Durch die Bindung an spannungsabhängige Natriumkanäle des peripheren Nervensystems kommt es nach ein bis zwei Tagen zu den im Fallbeispiel beschriebenen neurologischen Symptomen. Dafür reichen bereits kleinste Mengen (0,08–0,1 µg/kg Körpergewicht) des hitzestabilen, fettlöslichen, geruchs- und geschmacksneutralen Toxins aus.
Diese Vergiftungserscheinungen treten häufig auf | |
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Bereich | Symptome |
gastrointestinal | Diarrhö, Übelkeit, Bauchschmerzen, Erbrechen |
kardiovaskulär | Bradykardie, Hypotonie, Tachykardie |
neurologisch | Parästhesien der Extremitäten, periorale Parästhesien, Temperaturumkehr, Myalgien, Pruritus, Dysurie |
neuropsychiatrisch | Konzentrationsschwierigkeiten, Depression, Halluzinationen |
CTX lässt sich direkt im betroffenen Fisch nachweisen, einen verlässlichen laborchemischen Schnelltest für den Praxisalltag gibt es bis dato jedoch nicht, weshalb die Diagnose anhand der Anamnese und der Klinik gestellt wird. In den ersten 72 Stunden reduziert eine Mannitol-Infusion potenziell perineurale Ödeme. Außerdem ist auf eine ausreichende Hydrierung und Elektrolytzufuhr zu achten.
Später zielt die Therapie nur noch auf die Symptomlinderung ab. Neben Gabapentin kommen laut den Autoren Basisanalgetika, Amitriptylin und Pregabalin in Betracht. Die neuropsychiatrischen Beschwerden können Monate bis Jahre persistieren, ggf. eignen sich Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Für die Prophylaxe sollte man bei Aufenthalten in Endemiegebieten von Fischarten wie Red Snapper, Zackenbarsch oder Königsdorsch die Finger lassen. Wer nicht ganz auf Fisch verzichten möchte, sollte nur kleine Mengen davon essen (< 30 g).
Quelle: Müller J, Majer S. Swiss Med Forum 2018; 18: 206-210
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