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Anämie ist keine Altersfolge

Trotz zunehmender Forschung wird die Anämie bei geriatrischen Patienten nach wie vor unterschätzt, heißt es in einem Positionspapier der „Arbeitsgruppe Anämie“ der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG). Ihr Konsensus basiert auf der aktuellen wissenschaftlichen Literatur und der interdisziplinären Forschung der vier Mitglieder des Teams – drei Geriatern und einem Experten für Hämatopathologie. Sie fassten ihre Ergebnisse in drei Statements zusammen.
Statement 1: Die Anämie ist bei alten Patienten zwar sehr häufig, aber keineswegs physiologisch, sondern eher multikausal bedingt. Die Autoren unterscheiden vor allem drei Konstellationen, einen alimentär bedingten Mangel, eine Anämie ohne Nährstoffdefizit und eine (noch) ungeklärte Anämie. Letzterer könnte z.B. eine Frühform des myelodysplastischen Syndroms zugrunde liegen oder eine hormonelle Dysregulation. Einer deutschen multizentrischen Studie zufolge hat mehr als die Hälfte der in Pflegeheimen oder ähnlichen Einrichtungen lebenden Patienten eine Anämie, unter zu Hause versorgten Senioren ist sie etwas seltener.
Statement 2: Die Referenzwerte für den Hämoglobinspiegel gelten unabhängig vom Alter. Nach den WHO-Kriterien hat eine Frau mit einem Hb < 12 g/dl eine Anämie, ein Mann mit einem Hb < 13 g/dl. Diese altersunabhängigen Grenzwerte wurden zwar schon vor 40 Jahren verabschiedet, blieben aber lange umstritten. Sie werden jedoch durch eine gemeinsame Studie von DGHO* und DGG mit über 30 000 Teilnehmern ab 60 Jahren gestützt. Die Kollegen sehen deshalb keine Notwendigkeit, in Deutschland neue altersspezifische Referenzwerte einzuführen.
Statement 3: Die Anämie ist bei alten Patienten mit funktionellen und kognitiven Einschränkungen verbunden, die sich mit einer umfassenden geriatrischen Untersuchung (comprehensive geriatric assessment, CGA) nachweisen lassen. Sie sind auch der Grund, warum man im Senium gezielt nach einer Anämie fahnden und diese behandeln sollte. Die Autoren konnten in einer eigenen Studie zeigen, dass stationäre Patienten mit Anämie ein rund viermal höheres Risiko für einen multidimensionalen Funktionsverlust trugen als Leidensgenossen ohne Anämie. Diese Ergebnisse wurden auch in der deutschen Anämie-Prävalenzstudie GeriPraevalenz2013 bestätigt. Eine Anämie scheint also den kognitiven Abbau zu beschleunigen.
Laut einer Untersuchung tragen anämische Patienten sogar ein um 64 % erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Demenz. Möglicherweise hat die Anämie im Alter auch einen ungünstigen Einfluss auf die Psyche. So besteht bei Frauen eine Assoziation zu Depressionen.
* Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie
Quelle: Röhrig G et al. Eur Geriatr Med 2018; online first
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