Arsenal mit Potenzial

Dr. Melanie Söchtig

3D-Computertomographie eines Patienten mit interstitieller Lungenerkrankung. 3D-Computertomographie eines Patienten mit interstitieller Lungenerkrankung. © Science Photo Library/Fung, K.H.

Forschungsergebnisse der letzten zehn Jahre haben das Verständnis für interstitielle Lungenerkrankungen vertieft und eine bessere Behandlung dieser Krankheiten ermöglicht. Bedeutsam bleibt aber die Unterscheidung von inflammatorischen und fibrotischen Prozessen.

Die stark vereinfachte Unterteilung von interstitiellen Lungenerkrankungen (ILD) nach ihrem Ansprechen auf Steroide gilt mittlerweile als überholt. Dennoch hat sie in ihren Grundzügen weiterhin Relevanz für die Wahl der Therapie. So werden bei ILD im Zusammenhang mit Bindegewebserkrankungen, Hypersensitivitätspneumonitis, unspezifischer interstitieller Pneumonitis und anderen mutmaßlich entzündlichen Erkrankungen vor allem immunmodulatorische Medikamente eingesetzt. Dahingegen führt man bei der idiopathischen Lungenfibrose (IPF) eine antifibrotische Therapie durch, schreiben Dr. Kerri Johannson vom Snyder Institute for Chronic Diseases der University of Calgary und Kollegen.

Obwohl Kortikosteroide zu den frühesten immunmodulatorischen Medikamenten zählen, gibt es nur wenige randomisierte, kontrollierte Studien zur Indikation ILD. Eine davon wurde an Patienten mit akuter Hypersensitivitätspneumonitis durchgeführt. Darin verbesserten sich unter Prednison die forcierte Vitalkapazität (FVC) sowie die Diffusionskapazität für CO2 gegenüber Placebo. Daten zur Steroidgabe bei anderen ILD beschränken sich auf retrospektive Fallstudien, in denen eine Verbesserung der Lungenfunktion und des Überlebens bei Patienten mit unspezifischer interstitieller Pneumonitis und organisierender Pneumonie festgestellt wurde.

Biologika häufiger im Spiel

Je nach Indikation können sich als Immunmodulatoren Prodrugs eignen. Zu Azathioprin fanden sich in Kohortenstudien Hinweise auf eine Verbesserung der Lungenfunktion bei Sklerodermie, Hypersensitivitätspneumonitis und Dermatomyositis. Stu­diendaten zu Cyclophosphamid sprechen hingegen vor allem für den Einsatz bei systemischer Skler­ose mit ILD (SSc-ILD) und ILD, die mit inflammatorischen Myopathien assoziiert sind. Gegen SSc-ILD scheint Mycophenolat-Mofetil ähnlich wirksam, aber besser verträglich zu sein als Cyclophosphamid. In retrospektiven Fallstudien hat Mycophenolat-Mofetil außerdem die Lungenfunktion bei Patienten mit Hypersensitivitätspneumonitis und CTD-ILD stabilisiert bzw. verbessert.

Biologika kamen in den letzten Jahren ebenfalls ins Spiel. Rituximab war in unkontrollierten Studien mit einer verbesserten Lungenfunktion bei SSc-ILD, inflammatorischen Myopathien und Hypersensitivitätspneumonitis assoziiert. Tocilizumab erhielt auf Basis der Ergebnisse aus zwei randomisierten, kontrollierten Studien in den USA die Zulassung zur Behandlung der frühen SSc-ILD. In Fallserien wurde zudem von der Wirksamkeit bei rheumatoider Arthritis mit ILD und beim Antisynthetase-Syndrom berichtet.

Für die Behandlung der IPF stehen mit Pirfenidon und Nintedanib zwei zugelassene antifibrotische Therapien zur Verfügung. Beide Medikamente konnten in Studien die Krankheitsprogression verlangsamen. Andere Optionen haben sich als unzureichend wirksam (z. B. Bosentan, Interferon gamma, Etanercept) oder sogar schädlich (Kombination aus Prednison, Azathioprin und Acetylcystein) erwiesen. Die Zulassung von Pirfenidon und Nintedanib beschränkt sich auf die IPF.

Aber auch bei anderen Formen der ILD spielen fibrotische Prozesse eine Rolle. So gibt es eine fibrosierende ILD, die unter der Standardtherapie fortschreitet – ein Phänomen, das als progressiv fibrosierende ILD bekannt ist. Je zwei Pivotalstudien legen die Wirksamkeit von Pirfenidon bzw. Nintedanib bei dieser ILD-Form nahe.

Was noch zur Therapie gehört

Neben der gezielten Medikation sind flankierende Maßnahmen für das Management von ILD-Patienten zentral. Betroffene mit schwerer Hypoxämie im Ruhezustand oder isolierter Anstrengungshypoxämie sollten eine Sauerstoff­therapie erhalten. Eine pulmonale Rehabilitation kommt für alle Patienten mit eingeschränkter körperlicher Leistungsfähigkeit infrage. Schutzimpfungen gegen Infektionskrankheiten (u.a. durch Influenzaviren, Pneumokokken, SARS-CoV-2) sind für ILD-Patienten unerlässlich. Unter der Behandlung mit systemischen Immunsuppressiva kann ein Screening auf latente Infektionen erforderlich sein. Zum Management von Dyspnoe und Husten bei ILD gibt es bislang wenig Daten. In Studien finden sich unter anderem Hinweise auf die Wirksamkeit von Pirfenidon und Gabapentin bei Husten. Eine Lungentransplantation sollte bei ausgewählten Personen mit progredienter ILD erwogen werden.

Viele IPF-Kranke leiden an Komorbiditäten wie Reflux und Mikroaspiration. Eine Post-hoc-Analyse lieferte widersprüchliche Ergebnisse bezüglich Nutzen und Risiko von Antazida. Aktuell läuft eine randomisierte Studie zu Protonenpumpeninhibitoren. Einer Phase 2-Untersuchung zufolge könnten manche Patienten von einer Fundoplicatio profitieren. Bei ILD und pulmonaler Hypertonie hat sich in einer randomisierten Studie Treprostinil als wirksam erwiesen. Die Therapie verbesserte die zurückgelegte Dis­tanz im 6-Minuten-Gehtest und die Werte für NT-proBNP. Die Erforschung von Biomarkern, genetischen Varianten und neuen Therapiezielen könnte laut den Autoren die Behandlung von Patienten mit ILD künftig revolutionieren.

Quelle: Johannson KA et al. Lancet 2021; DOI: 10.1016/S0140-6736(21)01826-2

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


3D-Computertomographie eines Patienten mit interstitieller Lungenerkrankung. 3D-Computertomographie eines Patienten mit interstitieller Lungenerkrankung. © Science Photo Library/Fung, K.H.