Aufgekratzt durch Kortison

Dr. Elke Ruchalla/ Stephanie Käufl

Die Wahrscheinlichkeit für Infekte steigt mit der 
ersten Steroiddosis. Die Wahrscheinlichkeit für Infekte steigt mit der ersten Steroiddosis. © iStock/ scyther5

Glukokortikoide führen zu einer ganzen Reihe unerwünschter Wirkungen. Und das nicht nur bei Langzeitgabe. Schon nach wenigen Tagen der Einnahme kann es beispielsweise zu Hypertonie, Vorhofflimmern oder manischen Episoden kommen.

Von der Fettumverteilung bis  hin zu metabolischen Störungen – die Nebenwirkungen einer langfristigen Glukokortikoidgabe sind hinreichend bekannt. Doch auch im Rahmen einer Kurzzeittherapie mit den Substanzen treten unerwünschte Wirkungen auf. Welche das sind und wann man damit rechnen muss, hat ein Team um Dr. Sarah Noetzlin von der Universitätsklinik Genf anhand einer Literaturrecherche mit Studien aus den Jahren 1990–2020 zusammengetragen.  

NNR-Insuffizienz

Die Glukokortikoidgabe beeinflusst die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden(NNR)-Achse. Zu der bei Langzeittherapie gefürchteten NNR-Insuffizienz kommt es allerdings bei Kurzzeitgabe selten. Sie trat z. B. in einer Metaanalyse nur bei 1,4 % der Asthmapatienten auf, die kürzer als 30 Tage mit oralen oder intravenösen Steroiden behandelt worden waren. Trotzdem sollte man bei Nausea, Bauchkrämpfen, Diarrhö, Fatigue, Gewichtsverlust oder Schwäche die Nebennierenfunktion überprüfen.

Auswirkungen auf Appetit und Fettgewebe

Von der ersten Gabe an steigern Glukokortikoide den Appetit, und zwar vor allem auf hochkalorische und fettreiche Nahrung. Bei längerer Therapie kommt es damit unvermeidlich zu einer Gewichtszunahme. Im Fettgewebe fördern die Steroide u.a. etwa vier bis acht Stunden nach Einnahme die Hydrolyse der Triglyceride, wodurch im Serum die freien Fettsäuren ansteigen. Langfris­tig droht eine Lipodystrophie.

Steroidmyopathie

Im Skelettmuskel drosseln die Entzündungshemmer die Proteinsynthese und erhöhen den Eiweißabbau. Als Bilanz kommt es zum Muskelabbau, es droht eine Steroidmyopathie mit Schwäche, manchmal auch Muskelschmerzen. Einige (seltene) Fälle akuter Myopathien haben sich schon innerhalb weniger Stunden nach Beginn einer oralen Therapie entwickelt. Bei langfristiger Gabe kann es zu einer proximalen Amyo­trophie kommen. Kritisch wird es, wenn die Muskelschwäche auch die Atemmuskulatur betrifft.

Hyperglykämien

Der Mechanismus der glukokortikoidbedingten Hyperglykämie gleicht der Pathogenese beim Typ-2-Diabetes. Unter anderem sinkt die Glukoseaufnahme in Skelettmuskel und Fettgewebe und die Insulinsynthese im Pankreas wird reduziert. Klinisch führte die Verdoppelung der Plasmakonzentration von Kortisol durch Infusion von Hydrokortison zu einer um 50 % reduzierten Insulinsensitivität. Werden Glukokortikoide oral verabreicht, steigt der Blutzucker nach vier bis acht Stunden für etwa zwölf bis 16 Stunden an.

Akuten Glukokortikoid-Nebenwirkungen vorbeugen

Vor der Verschreibung einer Kurzzeittherapie mit Glukokortikoiden empfehlen die Schweizer Kollegen folgendes Vorgehen:

  • Die geringstmögliche Dosis des passenden Glukokortikoids für die kürzestmögliche Zeit verordnen.
  • Wenn möglich, die systemische Gabe vermeiden und Tropfen, Salben oder Sprays verschreiben.
  • Unterschiedliche mineralokortikoide Wirkungen, Halbwertszeiten, Verteilungen im Gewebe und Applikationszeitpunkte beachten (einmal am Morgen, mehrere Tagesdosen, nur jeden zweiten Tag etc.).
  • Bei Leber- und/oder Niereninsuffizienz oder sehr hohem Body-Mass-Index Dosis anpassen.
  • Komedikation des Patienten in Bezug auf mögliche Wechselwirkungen oder Interaktionen (v.a. CYP3A4-Inhibitoren oder -Stimulatoren) berücksichtigen.
  • Komorbiditäten (z.B. Magenulkus, Typ-2-Diabetes) im Blick behalten und Nutzen-Risiko-Verhältnis abschätzen.
  • Patienten verständlich über alle möglichen Nebenwirkungen informieren.

Hypertonie

Innerhalb von 24 Stunden nach oraler Gabe steigt der Blutdruck, mit einem Spitzenwert nach etwa vier bis fünf Tagen. Ursache sind weniger die früher vermuteten mineralokortikoiden Effekte der Glukokortikoide. Stattdessen soll der auf Stickstoffmonoxid-Imbalancen beruhende Anstieg des peripheren Widerstands dafür verantwortlich sein.

Rhythmusstörungen

Vor allem unter hoch dosierter, gepulster Kortisontherapie kann Vorhofflimmern auftreten. Bradykardien kommen seltener vor – und wenn doch, dann meist innerhalb der ersten Therapiewoche und selbstlimitierend.

Infekte

Schon nach der ersten Dosis erhöht sich das Risiko für Infekte und steigt mit der weiteren Einnahme an. Das betrifft sowohl schwere bakterielle als auch gewöhnliche virale Infektionen (z. B. Herpes); bei den Pilzen dominieren Candidaspezies. Opportunistische Infektionen und Tuberkulose bereiten dagegen eher in der Langzeittherapie Probleme.

Psychiatrische Effekte

Die Häufigkeiten in puncto glukokortikoidbedingter psychiatrischer Nebenwirkungen variieren stark, sie reichen von 2 % bis 60 %. Infrage kommen manische, hypomanische und/oder delirante Episoden. Sie treten meist schon in den ersten Behandlungstagen auf und gehen nach dem  Absetzen zurück. Auch weniger dramatische Stimmungsschwankungen werden öfter beobachtet. Sie reichen von der Euphorie über Gereiztheit, Ärger, Logorrhö bis zur Schlaflosigkeit. Depressionen sind seltener, sie entwickeln sich zudem eher nach Beendigung der Therapie oder bei Langzeitgabe.

Quelle: Noetzlin S et al. Swiss Med Wkly 2022; 152: w30088;  DOI: 10.4414/SMW.2022.w30088

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Die Wahrscheinlichkeit für Infekte steigt mit der 
ersten Steroiddosis. Die Wahrscheinlichkeit für Infekte steigt mit der ersten Steroiddosis. © iStock/ scyther5