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Steroide behindern Immunblockade

Die Inzidenz von Hirnmetastasen steigt. Inzwischen treten sie etwa zehnmal häufiger auf als primäre Hirntumoren, berichtete Dr. Daniel Heudobler von der Klinik für Innere Medizin 3 des Universitätsklinikums Regensburg. Patienten mit Lungenkarzinomen entwickeln zu etwa 44 % Hirnmetastasen, in Autopsien werden sie sogar bei 64 % der Patienten gefunden. „Es gibt da immer noch einen diagnostischen Gap“, meinte der Kollege.
Datenlage für Erkrankte mit Hirnmetastasen unzureichend
Für Patienten mit Melanom und Hirnmetastasen wurde bereits ein Vorteil der Immuntherapie bewiesen. In der Studie CheckMate 204 erreichten 57 % der Patienten mit aktiven, asymptomatischen Hirnmetastasen eines Melanoms einen klinischen intrakraniellen Benefit. Dieser war definiert als Anteil der Patienten mit stabiler Erkrankung über mindestens sechs Monate. Ein komplettes Ansprechen entwickelten 26 % und ein partielles 30 %.1
In der ABC-Studie wurde mit Nivolumab-Ipilimumab in einer ähnlichen Kohorte von Patienten mit Melanom und asymptomatischen Hirnmetastasen ein intrakranielles Ansprechen von 46 % mit 17 % CR erzielt.2 Daraufhin entwickelte sich diese Immuntherapiekombination zum neuen Standard für dieses Kollektiv. „Bei Patienten mit Lungenkarzinom und Hirnmetastasen sind wir noch nicht ganz so erfolgreich“, erklärte Dr. Heudobler. Da Menschen mit Hirnmetastasen überwiegend aus Studien ausgeschlossen werden würden, sei die Datenlage noch immer unzureichend.
In der Studie CheckMate 9LA erhielten Erkrankte mit NSCLC Nivolumab 360 mg i.v. alle drei Wochen plus Ipilimumab in der niedrigeren Dosierung von 1 mg/kg i.v. alle sechs Wochen kombiniert mit zwei Zyklen einer Platin-Dublette.3 Im Kontrollarm bestand die Behandlung aus vier Zyklen Chemotherapie. Der Vorteil der Immunchemotherapie hinsichtlich des medianen Gesamtüberlebens war bei adäquat behandelten und asymptomatischen Hirnmetastasen deutlich mit 19,3 Monaten vs. 6,8 Monate bei alleiniger Chemotherapie (HR 0,43; 95%-KI 0,27–0,67). Patienten ohne Hirnmetastasen profitierten hingegen weniger (15,6 Monate vs. 12,1 Monate; HR 0,79; 95%-KI 0,65–0,95). Die intrakraniellen Ansprechraten passen laut Dr. Heudobler gut zu den bisher in der Literatur berichteten mit 39 % im Immunchemotherapie- und 20 % im Chemotherapie-Arm.
Ähnliche Ergebnisse lieferte die Studie ATEZO-BRAIN bei NSCLC und unbehandelten Hirnmetastasen. Die intrakranielle Ansprechrate erreichte 40 %, wenn Atezolizumab zusätzlich zu Carboplatin/Pemetrexed über vier bis sechs Zyklen zum Einsatz kam gefolgt von Pemetrexed/Atezolizumab.4 Wie der Referent betonte, hatten 43 % Steroide erhalten. „Das hat man häufig und sollte es immer im Hinterkopf behalten.“
Die Nebenwirkungen der Immunchemotherapie waren dabei beherrschbar, meinte Dr. Heudobler. Die meisten behandlungsassoziierten unerwünschten Ereignisse umfassten Grad 1 oder 2. Drei der 40 Patienten entwickelten Grad-4-Toxizitäten, und zwar Thrombozytopenie, Neutropenie und Halluzinationen. Kein Teilnehmer starb an der Behandlung.
Problematisch bleibt es, wenn symptomatische Hirnmetastasen vorliegen. In einer entsprechenden Kohorte der Studie CheckMate 204 war Dexamethason bei den Melanompatienten bis zu einer Dosis von 4 mg/Tag erlaubt. Das intrakranielle Ansprechen lag in diesem Kollektiv nur bei 22 %. „Wir brauchen Lösungsstrategien für das Problem der Interferenz von Steroidgabe und Immuntherapie“, forderte Dr. Heudobler.
Bevacizumab zusätzlich zur Checkpoint-Inhibition geprüft
In Regensburg habe sich in Einzelfällen bewährt, Bevacizumab einzusetzen. Es wirkt antiödematös und senkt die Gefahr der Radionekrose nach stereotaktischer Bestrahlung. Zudem ist es bei niedriger Dosierung wirksam.
In der Phase-2-Studie „Breaking the big Five Barriers of Brain Metastasis“, kurz Break B5-BM NSCLC Trial (AIO-TRK-0220/ass) untersuchen jetzt deutsche Forscher prospektiv Patienten mit neu diagnostiziertem nicht-plattenepithelialem metastasiertem NSCLC und mindestens einer messbaren Hirnmetastase. Die Teilnehmer erhalten offen Nivolumab/Ipilimumab in der Dosierung wie in CheckMate 9LA und Bevacizumab 400 mg i.v. alle drei Wochen zusammen mit zwei Zyklen einer Induktionschemotherapie aus Carboplatin/nab-Paclitaxel.5
Die fünf Barrieren in der Therapie von Hirnmetastasen
- limitiertes anatomisches Volumen mit rascher Ödembildung
- immunologische Barriere der Blut-Hirn-Schranke
- immunsuppressives Organ
- gliale und myeloide Pseudokapsel
- epitheliale Barriere am Makro-Metastasen-Interface
Aufruf zur Mithilfe bei der Rekrutierung
Zur Erhaltung ist die Fortführung der Therapie mit den drei Antikörpern geplant. Eine therapierelevante EGFR- oder ALK-Mutation muss vor Studienbeginn ausgeschlossen werden. Patienten dürfen zudem vor Einschluss noch keine Ganzhirnbestrahlung erhalten haben. Eine vorhergehende stereotaktische Bestrahlung ist möglich, wenn mindestens eine Metastase zur Bewertung vorhanden ist. Steroide sollen ab Zyklus 3 auf unter 10 mg Prednisonäquivalent pro Tag reduziert und möglichst schnell ausgeschlichen werden. Die ersten fünf der geplanten 39 Patienten wurden bereits eingeschlossen. „Wenn Sie solche Patienten haben, überweisen Sie sie bitte an eins der elf Zentren, die teilnehmen“, rief Dr. Heudobler seine Kollegen zur Mithilfe auf. An der Studie beteiligen sich neben seiner Klinik die in Stuttgart, Augsburg, Oldenburg, Münster, Hemer, Mannheim, München, Gießen und Offenbach. Bald wird auch Heidelberg dazustoßen.Quellen:
1. Tawbi HA et al. N Engl J Med 2018; 379: 722-730; DOI: 10.1056/NEJMoa1805453
2. Long GV et al. Lancet Oncol 2018; 19: 672-681; DOI: 10.1016/S1470-2045(18)30139-6
3. Carbone D et al. IASLC 2021 World Conference on Lung cancer; Abstract OA09.01
4. Nadal E et al. IASLC 2021 World Conference on Lung cancer; Abstract OA09.02
5. AIO-TRK-0220/ass; www.aio-portal.de/
Heudobler D. 18. AIO-Herbstkongress; Arbeitsgruppensitzung ZNS-Tumoren/Meningeosis
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