Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen – Panzytopenie durch Medikamentenvergiftung

Stephanie Käufl

Nach der dritten Aufnahme in die Klinik entdeckten die Ärzte eine starke Verminderung aller drei Blutzellreihen. (Agenturfoto) Nach der dritten Aufnahme in die Klinik entdeckten die Ärzte eine starke Verminderung aller drei Blutzellreihen. (Agenturfoto) © Arif Biswas – stock.adobe.com

Wochenlang quälte sich eine 40-Jährige mit Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen herum. Ihre Ärzte waren ratlos, trotz zahlreicher Untersuchungen ließ sich keine Ursache finden. Bis die Frau bei ihrem dritten Klinikaufenthalt eine Panzytopenie entwickelte und ein Kollege endlich die entscheidende Frage stellte.

Aufgrund der nicht nachlassenden Beschwerden ihrer Patientin hatten Chirurgen und Internisten schon eine ganze Batterie von Untersuchungen auffahren lassen. Sogar zwei Computertomographien waren darunter – nichts brachte Resultate, berichten Dr. Mei-Ni Belzile­ und ihre Kollegen vom Department of Medicine, University of Toronto. 

Geschwüre im Mund deuteten auf Überdosierung

Dabei war die 40-Jährige medizinisch kein unbeschriebenes Blatt. Neben ihrer Depression und einer Angststörung litt sie an einer schweren rheumatoiden Arthritis, die mit Etanercept, Methotrexat und Folsäure behandelt wurde. 

Auch bei der dritten Krankenhausaufnahme ließ sich durch körperliche Untersuchung und Labor zunächst kein pathologischer Befund feststellen. Dann aber, am zweiten Tag ihres Klinik­aufenthalts, entwickelte die Patientin Geschwüre im Mund, die erneute Blutuntersuchung ergab nun eine Panzytopenie (Neutrophile 100/µl). Das brachte die Kollegen dazu, bei der Frau noch einmal gründlich anamnestisch nachzubohren. 

Es stellte sich heraus, dass sie ihr Etanercept nicht mehr bezahlen konnte und es deshalb schon einen Monat lang nicht mehr gespritzt hatte. Zum Ausgleich hatte sie eigenständig die Metho­trexat-Dosis von 20 auf 40 mg/Woche erhöht. Die Folsäure hatte sie einfach weggelassen, deren schützende Funktion gegen die Methotrexat-Nebenwirkungen war ihr unbekannt. Vor diesem Hintergrund schrieben die kanadischen Ärzte Bauchschmerzen, orale Ulzera und Panzytopenie schnell dem Methotrexat zu. Unter intravenöser Gabe von Folinsäure verschwanden die Beschwerden und das Blutbild normalisierte sich wieder. 

Bei keinem der zahlreichen Arztkontakte und Notaufnahmen war die toxische Medikamentengeschichte der Patientin ans Licht gekommen. Es war zwar klar, welche Präparate die Frau rezeptiert bekommen hatte. Ob sie diese aber so wie verschrieben auch applizierte, wurde von keinem der Kollegen erfragt. 

Ausführliche Medikamenten­anamnese ist unentbehrlich

Ein großer Fehler, meint Dr. Belzile­. Denn immer wieder ergeben Studien, dass Patienten ihre Medikamente nicht oder falsch einnehmen. Eine akkurate Medikamenten-Anamnese mit einfachen, nicht wertenden Fragen ist deshalb bei jeder Aufnahme ins Krankenhaus unentbehrlich und kann manch merkwürdigen Befund erklären.

Quelle: Belzile MN et al. JAMA Intern Med 2021; DOI: 10.1001/jamainternmed.2020.8863

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Nach der dritten Aufnahme in die Klinik entdeckten die Ärzte eine starke Verminderung aller drei Blutzellreihen. (Agenturfoto) Nach der dritten Aufnahme in die Klinik entdeckten die Ärzte eine starke Verminderung aller drei Blutzellreihen. (Agenturfoto) © Arif Biswas – stock.adobe.com