Bekommt der Patient sein Fett weg?

Kathrin Strobel

Bislang hat man versucht, möglichst schonend zu operieren, d.h. das Mesenterium zu erhalten. Inzwischen gibt es auch Stimmen, die ein radikaleres Vorgehen propagieren. Welche Strategie mehr Vorteile bringt, ist nicht abschließend geklärt. Bislang hat man versucht, möglichst schonend zu operieren, d.h. das Mesenterium zu erhalten. Inzwischen gibt es auch Stimmen, die ein radikaleres Vorgehen propagieren. Welche Strategie mehr Vorteile bringt, ist nicht abschließend geklärt. © iStock/Kaushik_Ghosh

Ist das Mesenterium Freund oder Feind? Das fragen sich Viszeralchirurgen seit geraumer Zeit, bevor sie beim Crohnpatienten mit der Ileozökalresektion starten. Hat man bislang eher schonend operiert, weisen erste Daten auf etwaige Vorteile eines radikaleren Vorgehens hin.

Trotz aller Fortschritte in der Therapie chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen kommt man bei der Mehrheit der Patienten mit ­Morbus ­Crohn nicht um eine OP herum. Zwar geht der Trend zu einer Verringerung der Chirurgie, sagte Prof. Dr. Peter­ Kienle­, Allgemein- und Viszeralchirurgie am Theresienkrankenhaus und der St. Hedwig-Klinik in Mannheim. Doch noch immer erleiden 10 bis 30 % der Patienten innerhalb von zehn Jahren nach Ileozökalresektion ein Rezidiv. Somit stellt sich die Frage, ob sich die Rezidivrate durch das chirurgische Vorgehen beeinflussen lässt. Ist es günstiger, das Mesenterium bei der OP zu erhalten? Oder sollte man es besser entfernen?

Richtungsweisende Studie kommt aus Deutschland

„Bisher war es so, dass wir immer das Mesenterium erhalten haben, also keine radikale Chirurgie durchgeführt haben“, erklärte Prof. Kienle. Das gehe auf zwei große randomisiert-kontrollierte Studien zurück. Doch die eine Studie, die in diesem Zusammenhang regelmäßig zitiert werde,1 könne man in dieser Sache nicht ohne Weiteres heranziehen, da ihr eine gänzlich andere Fragestellung zugrunde gelegen hatte. Eine Arbeit aus Deutschland wiederum hatte ergeben, dass die schonende Chirurgie eine deutlich niedrigere Zahl an Rezidiven zur Folge hat als das radikale Vorgehen.2 „Eigenartigerweise wird diese Studie in allen neueren Zusammenfassungen vergessen“, beklagte der Chirurg. Dabei sei einzig und allein wegen dieser Publikation das darmnahe Operieren eingeführt worden.

Eine Untersuchung aus Großbritannien, die in diesem Zusammenhang häufig angeführt wird, hat gezeigt, dass das Entfernen des Mesenteriums günstig sein kann.3 „Aber“, so der Kollege, „und das ist ein großes Aber: Das ist eine schlechte Studie“. Unter anderem war die Fallzahl sehr klein, die beiden untersuchten Gruppen waren in unterschiedlichen Zeiträumen behandelt und beobachtet worden (vor 2010 vs. nach 2010), zudem bestand ein Selektionsbias. „Insgesamt“, so der Experte, „spricht das doch tatsächlich sehr dagegen, dass das Mesenterium eine große Rolle spielt“. Und die Ergebnisse einer aktuellen Studie aus Italien mit 1.272 Patienten stützen diese Einschätzung: Laut der multivariaten Analyse war ein verdicktes Mesenterium über zwanzig Jahre hinweg nicht mit einer erhöhten Rate an Rezidiven ­assoziiert.

Es gebe also lediglich Evidenz von einer einzigen, schlecht gemachten Studie, die suggeriert, dass man durch radikaleres Operieren eine niedrigere Rezidiv­rate erreicht, schloss Prof. ­Kienle. Bis zum Beweis des Gegenteils ist seiner Meinung nach weiterhin die nicht-radikale, mesenteriumerhaltende Operation das Vorgehen der Wahl.

Creeping fat ist nicht nur ein reiner Kalorienspeicher

Prof. Dr. Emile­ Rijcken­ von der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Münster erläuterte die besondere Rolle des mesenterialen Fettgewebes. Das sog. ­Creeping fat ist „nicht nur ein Speicher für überschüssige Kalorien“, erklärte er. Es gebe vielmehr einen ständigen ­Crosstalk der Fettgewebszellen mit den Lymphknoten, mit dem enteralen Nervensystem und den Epithelzellen. Neben Leptinen und Adipo­nektinen produzieren Adipozyten auch pro- und antiinflammatorische Zytokine, Chemokine und Wachstumsfaktoren. Das viszerale Fettgewebe ist sehr aktiv bei der Regulation lokaler, intestinaler und systemischer entzündlicher Prozesse, so der Kollege. Ob dem mesenterialen Fettgewebe eher eine schützende Funktion zukommt oder ob es, ganz im Gegenteil, die intestinale Entzündung am Laufen hält, ist bislang aber nicht abschließend geklärt.

Das chirurgische Rezidiv ist ein relevantes Problem, waren sich Prof. ­Rijcken und Prof. Kienle einig. Neue Entwicklungen in der Anastomosen- und Resektionstechnik zeigen inzwischen aber neue Möglichkeiten auf. Vor allem das Verfahren der Kono-S-Anastomose wird viel diskutiert. Laut Prof. ­Rijcken handelt es sich dabei um „eine sehr, sehr sichere Anastomose“. Sein Mannheimer Kollege zeigte sich kritischer: „Zum Teil wird schon darüber gesprochen, dass Kono der neue Standard sei. Das finde ich problematisch.“ Denn es gebe bislang nur eine einzige Studie dazu – und „die ist underpowert, die hat einen Selektionsbias, die hat einen Chirurgen­bias“.

Insgesamt ist also noch vieles unklar in der Frage, wie sich die Rezidivrate nach Ileozökalresektion bei ­Morbus ­Crohn verringern ließe. Weitere Studien zu dem Thema laufen. Mit den Ergebnissen dürfte sich die bislang noch schwache Evidenzlage verbessern, hoffen die Kollegen. Bis dahin bleibt die medikamentöse Rezidivprophylaxe wichtiger Bestandteil der Behandlung.

Quellen:
1. Fazio VW et al. Ann Surg 1996; 224: 563-571; DOI: 10.1097/00000658-199610000-00014
2. Ewe K et al. Digestion 1989; 42: 224-232; DOI: 10.1159/000199850
3. Coffey CJ et al. J Crohns Colitis 2018; 12: 1139-1150; DOI: 10.1093/ecco-jcc/jjx187

Kongressbericht: Viszeralmedizin 2021

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Bislang hat man versucht, möglichst schonend zu operieren, d.h. das Mesenterium zu erhalten. Inzwischen gibt es auch Stimmen, die ein radikaleres Vorgehen propagieren. Welche Strategie mehr Vorteile bringt, ist nicht abschließend geklärt. Bislang hat man versucht, möglichst schonend zu operieren, d.h. das Mesenterium zu erhalten. Inzwischen gibt es auch Stimmen, die ein radikaleres Vorgehen propagieren. Welche Strategie mehr Vorteile bringt, ist nicht abschließend geklärt. © iStock/Kaushik_Ghosh