Botulinumtoxin: Spastik nach einem Schlaganfall schneller behandeln!

Dr. Angelika Bischoff

Inzwischen existiert eine breite Evidenz für die intramuskuläre Injektion von Botulinumtoxin, insbesondere bei fokal betonter Spastik. Inzwischen existiert eine breite Evidenz für die intramuskuläre Injektion von Botulinumtoxin, insbesondere bei fokal betonter Spastik. © iStock/CasarsaGuru

Am besten hilft Patienten, die nach einem Schlaganfall eine muskuläre Spastik entwickeln, Botulinumtoxin. Je früher es zum Einsatz kommt, desto besser. Doch bisher vergeht noch zu viel Zeit, bis die Spastik erkannt wird, bemängelt ein Kollege.

Etwa 10 % aller Patienten entwickeln in den ersten drei Wochen nach einem Schlaganfall eine relevante Spastik, nach drei Monaten ein Drittel. Wichtige Prädiktoren sind der Schweregrad der Parese und zusätzliche sensible Defizite, emotionale Anspannung und Entzündungen verstärken den Prozess. Die Folgen umfassen Funktionsverlust, Abhängigkeit von anderen bei Hygiene, Essen und Ankleiden sowie Schmerzen, Hautschädigung und sekundäre Probleme z.B eine verminderte Lebensqualität und Depression. Sekundär verändert sich durch die Spastik auch die Muskelstruktur in Richtung „bindegewebige Umgestaltung“, erklärte Professor Dr. Uwe Walter, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsmedizin Rostock.

Orale Antispastika können die Paresen verstärken

Orale Antispastika – insbesondere Tizanidin und Baclofen – kommen vor allem bei generalisierten Formen der Spastik zum Einsatz. Ihr Nachteil ist, dass sie potenziell Paresen verstärken und sedieren. Deshalb gilt es, zielgerichtete Therapien anzustreben. Inzwischen existiert eine breite Evidenz für die intramuskuläre Injektion von Botulinumtoxin, insbesondere bei fokal betonter Spastik. Im Falle von schwerer Tetra- oder Paraspastik lässt sich das Neurotoxin auch intrathekal verabreichen.

Begleitend kommen redressierende Verfahren wie Orthese oder Tape, Elektrostimulation und Physiotherapie (passives Bewegen und spezielle Trainingsformen) zum Einsatz. Die Faustregel: Man sollte immer zwei geeignete Verfahren kombinieren, z.B. Botulinumtoxin plus Physiotherapie. Damit lässt sich die antispastische Wirkung potenzieren.

Bei leichter Spastik kann Botulinumtoxin in Verbindung mit aktivem Funktionstraining sogar die Funktion verbessern. Das Toxin vermindert auch Schmerzen in der betroffenen Extremität. Dies ist nicht nur durch die antispastische Wirkung bedingt, sondern wird auch über andere Transmittermechanismen vermittelt.

Nach eigenen Untersuchungen mit 85 Patienten erfuhren 90 % über acht Jahre einen stabilen Effekt, so der Experte. Nur bei 5 % trat ein sekundäres Therapieversagen durch Antikörperbildung gegen Botulinumtoxin auf. In diesen Fällen hat nach Ansicht von Prof. Walter möglicherweise ein häufiger Wechsel der Präparate die Bildung von Antikörpern provoziert. Allerdings sind Antikörper nicht immer assoziiert mit einem nachlassenden Therapieeffekt, so der Referent weiter. Nur bei 2 % seiner Patienten hat er ein primäres Therapieversagen gesehen und bei 1 % haben intolerable Nebenwirkungen wie Injektionsschmerz bei Beinspastik die Fortsetzung der Behandlung verhindert. Insgesamt hat Botulinumtoxin bei Spastiken nach einem Schlaganfall eine bessere Wirksamkeit und Verträglichkeit gezeigt als orale Antispastika.

Dosis und Injektionsschema lassen sich flexibel anpassen

Daten aus der größten offenen randomisierten Studie in Deutschland zu dem Thema bestätigen dies. Hier wurden Injektionen in neun verschiedene Muskelgruppen vorgenommen. Die Ansprechrate betrug 60–80 %, in der Gruppe der konservativen Maßnahmen nur 15–20 %. Botulinumtoxin verbesserte zusätzlich die Lebensqualität der Patienten erheblich.

Die Therapie lässt sich flexibel in Dosis und Injektionsschema anpassen. Man kann dabei durchaus auch höhere Dosen geben, die über die Zulassung hinausgehen, so Prof. Walter. Wenn die klassische Applikation nicht ausreichend wirkt, sollte man die Elektromyographie nutzen, um besonders hyperaktive Muskeln zu identifizieren und entsprechend gezielt zu injizieren. Noch besser ans Ziel kommt man mit einer Ultraschallsteuerung.

Nach dem Apoplex genau auf Zeichen einer Spastik achten

In der Praxis vergeht jedoch zu viel Zeit zwischen dem Auftreten einer Spastik und dem Beginn der Behandlung mit Botulinumtoxin. Damit wird wertvolle Zeit vergeudet, in der man therapeutisch noch viel erreichen könnte, kritisierte Prof. Walter. Er ermunterte Hausärzte und Physiotherapeuten, frühzeitig auf die Anzeichen einer Spastik zu achten und die Therapie zu starten.

Quelle: 35. Arbeitstagung NeuroIntensivMedizin

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Inzwischen existiert eine breite Evidenz für die intramuskuläre Injektion von Botulinumtoxin, insbesondere bei fokal betonter Spastik. Inzwischen existiert eine breite Evidenz für die intramuskuläre Injektion von Botulinumtoxin, insbesondere bei fokal betonter Spastik. © iStock/CasarsaGuru