„CAR-T-Zellen plus“ als Zukunftsmusik für die Behandlung von Karzinomen

CAR-T-Zell-Meeting 2022 Josef Gulden

Bei soliden Tumoren ist der Zugang ins Tumorgewebe erschwert. Bei soliden Tumoren ist der Zugang ins Tumorgewebe erschwert. © iStock/Marcin Klapczynski

T-Lymphozyten mit chimärem Antigenrezeptor werden bislang nur zur Behandlung hämatologischer Erkrankungen erfolgreich eingesetzt. Bei soliden Tumoren ist dagegen der Zugang ins Tumorgewebe erschwert. Experten zeigen Wege auf, wie der Einsatz dennoch gelingen könnte.

Weg 1: „Humaner epidermaler Wachstumsfaktor“

Dr. John Maher, King‘s College London, berichtete über ein Zellkonstrukt, das mit zwei künstlichen Rezeptoren ausgestattet ist und derzeit bei fortgeschrittenen Kopf-Hals-Tumoren untersucht wird: Ein Pan-ErbB-CAR.1 Es handelt sich um einen Rezeptor, der verschiedene Typen von Rezeptoren für den humanen epidermalen Wachstumsfaktor (HER) erkennt. Dieser wird auf den CAR-T-Zellen mit einem chimären Rezeptor für Interleukin 4 (IL4) kombiniert. So ist es möglich, das Zytokin als selektiven Wachstumsfaktor für die Zellen zu nutzen. Aus Sorge vor systemischer Toxizität werden die Zellen intratumoral appliziert, erklärte der Referent. Im Tiermodell verblieben die CAR-T-Zellen tatsächlich an der Stelle des Tumors, der sich unter der Behandlung vollständig zurückbildete.

Kopf-Hals-Tumoren exprimieren in unterschiedlichem Ausmaß alle vier HER-Subtypen und haben im fortgeschrittenen Zustand eine schlechte Prognose. Wie Dr. Maher berichtete, wurden in einer Dosis-Eskalations-Studie der Phase 1 bislang 15 Patienten mit diesem Verfahren behandelt, die bereits bis zu acht Vor­therapien erhalten hatten; die beiden ältesten Teilnehmer waren über 80 Jahre alt. Es gab bisher keine dosislimitierenden Toxizitäten, insbesondere keine Fälle von Zytokinfreisetzungssyndrom oder Neurotoxizitäten.

Neun von 15 Patienten erreichten eine Krankheitsstabilisierung nach sechs Wochen, insbesondere bei höheren Konzentrationen von CAR-T-Zellen. Zum Vergleich: Solche Tumoren können in diesem Zeitraum unbehandelt ihre Größe verdoppeln, betonte der Referent. Bei einem Patienten schrumpfte der Tumor in den folgenden Wochen weiter, während an anderen Stellen Metastasen auftraten. Ein Patient erhielt anschließend ein onkolytisches Virus (T-VEC) und Pembrolizumab und erzielte damit beinahe eine Komplettremission; er ist nach über drei Jahren noch am Leben. Mit den aktuell zugelassenen Behandlungsmöglichkeiten sind die Betroffenen nach 30 Wochen bereits verstorben, erinnerte Dr. Maher. In der Studiensituation war nach dieser Zeit noch nicht einmal der Medianwert des Überlebens erreicht.

Weg 2: „Chemokin-Rezeptor“

Das Chemokin CXCL16 wird von Krebszellen und von myeloiden Zellen in ihrer Umgebung exprimiert. CXCL16 ist ein Ligand des Rezeptors CXCR6, und für infiltrierende CD8+ T-Zellen im Tumor-Microenvironment, die CXCR6 exprimieren, ist CXCL16 ein kritisches Überlebenssignal, erläuterte Prof. Dr. ­Sebastian Kobold, LMU Klinikum, München.2 Wenn man T-Zellen oder auch CAR-T-Zellen daher gentechnisch mit CXCR6 ausrüstet, könne das für eine effektivere Rekrutierung solcher T-Zellen in das Tumorgewebe sorgen.

In zahlreichen In-vitro- und Tier­experimenten konnte Prof. Kobolds Arbeitsgruppe zeigen, dass durch die Zugabe des Rezeptors nicht nur die Rekrutierung von T-Zellen in Tumorgewebe, sondern auch ihre therapeutische Wirksamkeit in syngenen, Xenograft- und von Patienten abgeleiteten Modellen verbessert wurde. Das gelte für „reine“ T-Zellen, ganz besonders aber für mit einem CAR ausgestattete Zellen: T-Zellen etwa, die mit einem CAR gegen das Tumor­antigen EpCAM ausgestattet waren, konnten ihre Wirksamkeit gegen Tumoren erheblich steigern, wenn sie zusätzlich CXCR6 auf ihrer Oberfläche trugen. CXCR6 habe daher das Potenzial, eine CAR-T-Zell-Therapie bei CXCL16+ Tumoren effektiver zu machen, konstatierte der Experte. Zu diesen Tumoren zählt beispielsweise auch das Pankreaskarzinom.

Kein Grund zur Sorge

CD133 kommt auch auf hämatopoetischen Stammzellen vor. Allerdings sind die Konzentrationen geringer als auf den SCLC-Zellen. Entsprechend wurden menschliche Knochenmarkzellen von den CD133-CAR-T-Zellen nicht lysiert und es war keine Induktion einer Knochenmark­aplasie nachweisbar, betonte Prof. Zeiser.

Weg 3: „CD73, CD133, PD1“

Eine “Triple-Immuntherapie”, in der eine CAR-T-Zell-Behandlung solider Tumoren durch Immunmodulation verbessert werden soll, stellte Prof. Dr. Robert Zeiser, Universitätsklinikum Freiburg, vor.3 Er erinnerte daran, dass das kleinzellige Lungenkarzinom eine schlechte Prognose hat, aber sehr sensitiv gegenüber einer Chemotherapie ist. Die Folge: Hohe Ansprechraten auf die initiale Chemotherapie gehen nahezu unweigerlich mit Rezidiven einher, die von den übriggebliebenen chemoresistenten Tumorstammzellen gespeist werden. Diese Stammzellen exprimieren an ihrer Oberfläche CD133, das damit ein vielversprechendes Ziel für eine CAR-T-Zell-Therapie darstellt, so Prof. Zeiser. CD133-CAR-T-Zellen lysieren SCLC-Zellen und unterdrücken das Wachstum orthotoper Xenograft-Tumoren im Mausmodell. Ver­stärkt werden diese Effekte noch durch eine vorangegangene Chemotherapie, die ein inflammatorisches Milieu im Tumor schafft. Dieser Ansatz sei aber nicht kurativ, weil Tumorreste verbleiben. Ein Grund dafür dürfte die Expression von PD-L1 auf den SCLC-Zellen sein, die durch die Chemotherapie verstärkt wird und im Sinne eines Immune-Escape-Mechanismus die Wirkung der CAR-T-Zellen abschwächt. Tatsächlich konnte die Zugabe eines PD1-Checkpoint-Inhibitors die Wirksamkeit der CAR-T-Zellen zusätzlich verstärken, betonte der Referent. Weil jedoch auch damit noch keine vollständige Elimination der Tumoren möglich war, wurde ein weiterer Escape-Mechanismus ins Visier genommen: die Adenosin-/A2A-Rezeptor-Achse. Auf Tumorzellen, Makrophagen und dendritischen Zellen im Tumor fand sich CD73, ein Ektoenzym, das das immunsuppressiv wirkende Adenosin bildet und dessen Expression ebenfalls durch die Chemotherapie verstärkt wurde. Kam noch ein CD73-Inhibitor dazu, war das Trio dann im Mausmodell tatsächlich imstande, das chemoresistente SCLC vollständig zu eliminieren; einige der Mäuse erreichten unter dieser Therapie ein Langzeit­überleben. 

Quellen:
1. Maher J. 4th European CAR T-cell Meeting; PS04-1
2. Kobold S. 4th European CAR T-cell Meeting; PS04-3
3. Zeiser R. 4th European CAR T-cell Meeting; PS04-4

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Bei soliden Tumoren ist der Zugang ins Tumorgewebe erschwert. Bei soliden Tumoren ist der Zugang ins Tumorgewebe erschwert. © iStock/Marcin Klapczynski