Chemotherapie bei fortgeschrittenen gastrointestinalen Karzinomen im Alter

Viszeralmedizin 2024 Friederike Klein

Bei geriatrischen Patientinnen und Patienten sollte die Chemotherapie besser von vorneherein mit einer niedrigeren Dosis begonnen werden, ist Prof. Rudi überzeugt. Bei geriatrischen Patientinnen und Patienten sollte die Chemotherapie besser von vorneherein mit einer niedrigeren Dosis begonnen werden, ist Prof. Rudi überzeugt. © New Africa – stock.adobe.com

Seit 60 Jahren wird die Dosis vieler Chemotherapeutika anhand der Köperoberfläche berechnet. Das wird alten Patientinnen und Patienten mit gastrointestinalen Karzinomen jedoch nicht gerecht. Experten empfehlen, ab einem Alter von 75 Jahren die Therapie mit einer reduzierter Dosis zu beginnen. 

Bei geriatrischen Patienten ist die Muskelmasse reduziert. Das führt zu einer hohen Chemotherapiedosis pro Muskeleinheit und damit zu einer schlechteren Verträglichkeit, erklärte Prof. Dr. Jochen Rudi­, Chefarzt der gastroenterologischen Klinik am Theresien­krankenhaus Mannheim. Aus diesem Grund wurde in der C-SCANS-Studie die Chemotherapie zur Behandlung eines nicht metastasierten Kolonkarzinoms bei Menschen mit niedriger Muskelmasse häufiger abgebrochen als bei jenen mit höherer Muskelmasse. Die Studienteilnehmenden hatten eine adjuvante Therapie mit FOLFOX (Folinsäure, 5-Fluorouracil [5-FU] und Oxaliplatin) erhalten.

Bei geriatrischen Patientinnen und Patienten sollte die Chemotherapie besser von vorneherein mit einer niedrigeren Dosis begonnen werden, ist Prof. Rudi überzeugt. In der MRC-FOCUS2-Studie wurden vier palliative Chemotherapien verglichen: 5-FU plus Folinsäure, 5-FU plus Folinsäure plus Oxaliplatin, Capecitabin sowie Capecitabin plus Oxaliplatin. 459 Patientinnen und Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom wurden in die Studie eingeschlossen, sie waren ≥ 75 Jahre und/oder gebrechlich. Alle Chemotherapien wurden mit 80 % der Standarddosis begonnen und im Einzelfall nach sechs Wochen eskaliert. „So gehe ich auch vor“, sagte Prof. Rudi und ergänzte: „Je nachdem, wie die Therapie vertragen wird, gehe ich in der Dosis auch noch weiter runter.“ 

Insgesamt entsprachen die Therapieergebnisse dem zu Erwartenden, so Prof. Rudi. Nach zwölf Wochen lag die Ansprechrate unter 5-FU/Folinsäure und unter Capecitabin bei jeweils 15 % und in Kombination mit Oxaliplatin jeweils bei etwa 40 %. Capecitabin wurde schlechter toleriert als 5-FU. Vor allem höhergradige Nausea, Diarrhö, Lethargie und Hand-Fuß-Syndrom waren signifikant häufiger unter Capecitabin. Die Hinzunahme von Oxaliplatin führte zu mehr höhergradigen Diarrhöen und peripheren Neuropathien, die Grad-3/4-Toxizität war aber insgesamt nicht deutlich erhöht gegenüber der alleinigen Fluoropyrimidintherapie. Das Autorenteam der Studie präferiert für ältere Betroffene die Kombination von Oxaliplatin plus 5-FU. 

Die palliative Chemotherapie mit 5-FU plus Folinsäure plus Irinotecan (FOLFIRI) wurde bei über 70-jährigen Patientinnen und Patienten mit metastasiertem kolorektalem Karzinom ebenfalls als wirksam beschrieben, wenn diese den Einschlusskriterien randomisiert-kontrollierter Studien entsprachen. Prof. Rudi mahnte aber zur Vorsicht beim Einsatz von FOLFIRI bei un­selektierten über 75-Jährigen in der Routine. Denn in einer Studie führte die Hinzunahme von Irinotecan zu 5-FU/Folinsäure trotz besseren Ansprechens der über 75-jährigen Studienteilnehmenden mit metastasiertem kolorektalem Karzinom nicht zu einem Vorteil im progressionsfreien und Gesamtüberleben. Es traten jedoch deutlich mehr Grad-3/4-Toxizitäten auf (76,3 % vs. 52,2 %), vor allem Neutropenien (38,5 % vs. 5,2 %) und febrile Neutropenien (7,4 % vs. 0,7 %) sowie Diarrhöen (22,2 % vs. 5,2 %). „Die Patientinnen und Patienten versterben womöglich an den Komplikationen und nicht an der Krebserkrankung“, meinte Prof. Rudi. Beim Auftreten höhergradiger Nebenwirkungen sollte bei alten Patientinnen und Patienten großzügig mit supportiven Maßnahmen begonnen werden, ergänzte er. 

Vor der Therapieentscheidung wird bei Älteren mit Krebserkrankung ein ausführliches geriatrisches Assessment (CGA) empfohlen. Zumindest sollte ein G8-Screening erfolgen, um die Einschränkungen zu erfassen. Bei einem Wert von 14 und höher (maximal erreichbar sind 17) gelten sie als fit und können so wie Jüngere behandelt werden. Liegt der Wert unter 14, besteht der Verdacht auf Frailty. Dann sollte ein CGA erfolgen, um eingeschränkt Behandelbare (Slow-go) von stark Gebrechlichen zu unterscheiden, die möglicherweise eher eine bestmögliche supportive Therapie (BSC) erhalten sollten. 

Laut der GO2-Studie kann aber auch bei Personen, die nach CGA nicht fit sind, eine Chemotherapie mit deutlich reduzierter Dosis eine Option sein. Bei den zwischen 51 und 96 Jahre alten Patientinnen und Patienten mit einem fortgeschrittenen gastroösophagealen Karzinom wurde in dieser Studie zunächst ein CGA durchgeführt. Wenn danach fraglich war, ob sie Chemotherapie oder BSC erhalten sollten, wurde eine Therapie mit Oxaliplatin plus Capecitabin in einer Dosis von 60 % des Standards mit BSC verglichen.

Die Chemotherapie in reduzierter Dosis führte auch in dieser unfitten Kohorte zu einem Trend hin zu einem besseren medianen Gesamtüberleben im Vergleich zu BSC (6,1 vs. 3,0 Monate), berichtete Prof. Rudi. In der etwas fitter eingestuften Gruppe wurde Oxaliplatin plus Capecitabin randomisiert in voller Dosis, in 80 % und in 60 % der vollen Dosis verabreicht. Die Erkrankten profitierten nicht von der vollen Dosis: Es gab keinen Überlebensvorteil gegenüber einer auf 80 % oder 60 % reduzierten Dosis von Oxaliplatin plus Capecitabin, aber mehr Dosisreduktionen wegen Nebenwirkungen und mehr Behandlungsabbrüche. 

„Eine Chemotherapie in reduzierter Dosis ist bei älteren Patientinnen und Patienten mit Einschränkungen und Komorbiditäten eine gute Option“, betonte Prof. Rudi. Es gibt keinen Wirkungsverlust, jedoch eine geringere Toxizität. Letzterer müsse man bei Älteren besondere Aufmerksamkeit schenken, betonte der Experte. Vorrangiges Ziel der Therapie alter und geriatrischer Menschen sei die Erhaltung der Funktionalität und Lebensqualität.

Quelle: Viszeralmedizin 2024

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