Chronische Hepatitiden unter Kontrolle bringen

Dr. Anja Braunwarth

Der HDV ist so zäh, dass er sogar nach einer Lebertransplantation bleibt. Der HDV ist so zäh, dass er sogar nach einer Lebertransplantation bleibt. © iStock/membio

Die Hepatitis D ist häufiger als gedacht, für die B hat sich ein neuer Marker als hilfreich erwiesen und bei der C darf man die Kinder nicht vergessen: drei der News zu den infektiösen Leberentzündungen.

In jüngster Zeit ergaben mehrere Reviews weltweite Prävalenzraten für die Hepatitis D von 0,8 bis knapp 1 % der Weltbevölkerung. Das wären schlimmstenfalls über 70 Millionen Menschen und damit läge die Infektion etwa gleichauf mit der Hepatitis C. „Diese Zahlen widersprechen jeder klinischen Erfahrung, hier dürfte ein großer Bias bestehen“, erklärte Professor Dr. Heiner ­Wedemeyer von der Klinik für Gast­roenterologie, Hepatologie und Endokrinologie an der Medizinischen Hochschule Hannover.

Eine neue, statistisch erheblich bessere Analyse kommt nun auf eine Zahl von 12 Millionen weltweit, was Prof. Wedemeyer für realistisch hält. „Wir müssen also davon ausgehen, dass die Infektion mit dem Hepatitis D-Virus (HDV) viel häufiger ist als gedacht. Der Gastroenterologe empfahl daher, jeden HBsAg-positiven Patienten wenigstens einmal auf anti-HDV zu testen. Außerdem gibt es bestimmte Risikogruppen, die sich gehäuft mit HDV koinfizieren (s. Kasten).

Gruppen mit besonders hohen HDV-Prävalenzen

  • i.v.-Drogenabhängige
  • Männer, die Sex mit Männern haben
  • Dialysepatienten
  • HIV-Positive
  • Sexarbeiter
  • Hepatitis-C-Infizierte
  • Zirrhotiker
  • Patienten mit hepatozellu­lärem Karzinom

Apropos HBsAg-Positivität: Das Dogma, dass das HDV-Virusoid nur die Hülle des HBV benutzen kann, stellt eine französische Studie infrage. Die Forscher wiesen in vitro nach, dass auch andere Viren HDV den Weg ebnen können. Inwieweit das beim Menschen Relevanz hat, müssen weitere Untersuchungen zeigen. Die Hepatitis D gilt als schwerste chronische Hepatitis und erhöht bei HIV-Koinfizierten die leberassoziierte sowie die Gesamtmortalität. Ob sich das auf HIV-Negative übertragen lässt, wurde in mehreren Studien untersucht, Prof. Wedemeyer hob eine schwedische mit 337 anti-HDV-Positiven hervor. Darin erwiesen sich die Zirrhose und die Virusreplikation als entscheidende Parameter. Nach einem mittleren Follow-up von 6,5 Jahren hatten Patienten mit HDV-Virämie im Vergleich zu denen ohne HDV-RNA-Nachweis ein 3,8-fach höheres Risiko für leberassoziierte Komplikationen (hepatische Dekompensation, organassoziierte Mortalität, Transplantation, hepatozelluläre Karzinome).

Einzige Therapieoption ist pegyliertes Interferon-α

Bei HDV-RNA-Positiven ohne Zirrhose zum Beobachtungsbeginn betrug das kumulative Risiko, frei von Komplikationen zu bleiben, nach fünf und zehn Jahren 81,9 % bzw. 86,4 %. Wenn noch kein narbiger Leberumbau vorliegt, lässt sich also nach Aussage des Referenten ein abwartendes Verhalten rechtfertigen. HDV ist nicht nur aggressiv, sondern zudem extrem zäh. So persistiert es z.B. nach einer Lebertransplantation. Jetzt zeigen aktuelle Befunde, dass der Erreger bei einer Zellteilung der Hepatozyten trotz antiinfektiver Therapie nicht nur erhalten bleibt, sondern sogar amplifiziert. Das könnte späte Rückfälle nach erfolgreicher Behandlung erklären, eine Heilung lässt sich nur schwer erreichen. Auch bedeutsam: Das virale Doppel erhöht die Gefahr für ein hepatozelluläres Karzinom (HCC) stärker als die HBV-Monoinfektion, unabhängig von einer Zirrhose. Als einzige Behandlungsoption gibt es bislang pegyliertes Interferon-α (PEG-INF-α), neue, gezielt antivirale Medikamente befinden sich in der Erprobung. PEG-INF-α sollte man primär über 48 Wochen geben, je nach HBsAg-Kinetik wird dann über eine Verlängerung entschieden. Wegen der (späten) Rezidivgefahr riet Prof. Wedemeyer zur langfristigen Nachbeobachtung.

Engmaschiges HCC-Screening bei einem Drittel verzichtbar

Bei alleiniger HBV-Infektion senkt die antivirale Therapie mit Entecavir oder Tenofovir das HCC-Risiko – aber nicht auf 0. Muss man nun alle sechs Monate darauf screenen? Zur Beantwortung dieser Frage wurden verschiedene Scores evaluiert, die z.B. Geschlecht, Thrombozytenzahl, Alter, oder Elastographiebefunde berücksichtigen. Daraus ließ sich ablesen, dass etwa bei einem Drittel der Patienten engmaschige HCC-Screenings verzichtbar wären. Die Umsetzung in den klinischen Alltag erfolgte aber bislang noch nicht. Ein neuer Marker in der Dia­gnostik ist die HBV-RNA, die mit der intrahepatischen Viruslast korreliert. Ihr Nachweis belegt, dass trotz unterdrückter HBV-DNA keine vollständige Suppression der Entzündung vorliegt. Bei der Interpretation muss man aber Transaminasen, HBeAg-Status, HBV-Genotp und Core-Promotormutationen mit berücksichtigen, betonte Prof. Wedemeyer. Seiner Ansicht nach könnte der Parameter vor allem dazu dienen, über einen Stopp der Therapie mit Nukleos(t)id-Analoga zu entscheiden. Zur Hepatitis-C-Prävalenz gibt es gute Daten – für Erwachsene. Nun befasste sich eine erste Datenanalyse mit Kindern, berichtete Professor Dr. Christoph­ Sarrazin­ von der Medizinischen Klinik II am St. Josefs-Hospital Wiesbaden. Daraus lässt sich die Häufigkeit der replikativen HCV-Infektionen auf weltweit 3,3 Millionen abschätzen, in Deutschland sind es erfreulicherweise „nur“ etwa 3700. Da nun einige direkt antivirale Therapien die Zulassung ab dem dritten Lebensjahr haben, hilft die Kenntnis über die Anzahl potenziell betroffener Kinder dabei, effektive HCV-Eliminationsstrategien zu entwickeln. Viel Unklarheit herrscht nach wie vor bei den Übertragungswegen. In 80 % der Fälle weiß man nicht, wie und wo die Infektion erworben wurde. Unter den restlichen findet sich zu drei Vierteln ein i.v.-Drogenkonsum als verantwortlicher Faktor, Blut und Blutprodukte spielen keine wesentliche Rolle mehr. „Das wird bis zur geplanten Ausrottung des Virus in 2030 auch so bleiben“, sagte Prof Sarrazin. Daher muss man die Bemühungen vor allem auf diese Patientengruppe konzentrieren. Die Reinfektionsrate liegt allerdings unter Drogenabhängigen niedriger als erwartet. In größter Gefahr für ein erneutes Geschehen schweben stattdessen Männer, die Sex mit Männern haben.

Hepatitis B von Impfung ­unbeeindruckt

Die Hepatitis B stellt trotz der regelhaften Impfung für Kinder und Jugendliche ein relevantes Problem dar. Zwischen 2015 und 2018 stiegen die gemeldeten Infektionszahlen z.B. wieder an, was allerdings auch an einer vermehrten Diagnostik bei Migranten liegen könnte. Dennoch: Die Impfung alleine rottet die Erkrankung definitiv nicht aus, betonte Prof. Wedemeyer. Risikopopulationen sollten daher unbedingt auf HBV untersucht werden, so die Forderung des Experten.

Interessanterweise lässt sich in den vergangenen Jahren ein steigender Trend der Spontanelimination von HCV beobachten, bis zu 50 % der Entzündungen heilen von selbst aus. Eine fassbare Erklärung dafür gibt es nicht, möglicherweise werden durch häufigere Tests mehr blande Fälle erfasst. Außerdem könnte die Viruslast niedriger liegen als früher, denn durch eine Spritze werden weniger Erreger übertragen als über Blut. Es wäre zudem denkbar, dass das Immunsystem der heute eher jüngeren Patienten einfach besser mit der Infektion fertig wird. Zur Therapie läuft eine Vielzahl von Studien, insbesondere für spezielle Patientengruppen. Eine hob Prof. Sarrazin hervor: die Testung von Glecaprevir/Pibrentasvir (G/P) bei Zirrhotikern im Acht-Wochen-Schema. Dieses Regime konnte bei Therapienaiven mit gesundem Lebergewebe bereits überzeugen. Die Studie schloss 343 Patienten ein und ergab über alle Serotypen Sustained-virological-response-Raten von ≥ 97,7 %. Damit kommt die Kombi auch bei kompensierter Zirrhose infrage­.

Quelle: 9. Hepatologie-Update-Seminar*

* Onlineveranstaltung

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Der HDV ist so zäh, dass er sogar nach einer Lebertransplantation bleibt. Der HDV ist so zäh, dass er sogar nach einer Lebertransplantation bleibt. © iStock/membio