Chronotherapie verhilft Patienten mit Demenz und Parkinson zu besserem Schlaf

Dr. Dorothea Ranft

Licht und Melatonin regulieren den Schlafrhythmus. Licht und Melatonin regulieren den Schlafrhythmus. © iStock/Dean Mitchell

Demente mit nächtlicher Unruhe werden bisher häufig mit Benzodiazepinen und Neuroleptika ruhiggestellt. Dabei lässt sich der Tag-Nacht-Rhythmus auch mit Licht und Melatonin wieder ins Lot bringen.

Leichte Veränderungen der zirkadianen Steuerung zeigen sich z.B. durch eine Phasenverschiebung mit frühen Zubettgehzeiten schon beim normalen Altern. Wesentlich ausgeprägter ist die zirkadiane Dysregulation bei Demenzpatienten – vor allem bei denen mit M. Alzheimer. Die damit verbundene nächtliche Unruhe kann Angehörige zur Verzweiflung bringen und ist deshalb nicht selten der Grund für eine Heimeinweisung, schreiben Dr. Amely Wahnschaffe und Dr. Dieter Kunz vom St. Hedwig-Krankenhaus, Berlin.

Auch bei einer weiteren neurodegenerativen Erkrankung, dem Morbus Parkinson, kommt es neben den klassischen motorischen Symptomen häufig zu Schlafstörungen. Außerdem entwickeln die Patienten in fortgeschrittenen Stadien nicht selten eine Demenz. Auch die REM-Schlaf-Verhaltensstörung, ein Prodromalstadium des M. Parkinson, ist offenbar mit einer zirkadianen Dysregulation verbunden, nur dass es den Patienten hier nicht an nächtlichem Schlaf mangelt. Stattdessen versagt die motorische Hemmung in der REM-Phase. Dadurch passiert es, dass Betroffene ihre Träume ausagieren und dabei nicht selten sich und ihren Bettpartner verletzen.

Die natürliche Synchronisierung der zirkadianen Rhythmen, primär über Licht und Dunkelheit, lässt sich bei neurodegenerativen Erkrankungen therapeutisch nutzen. Man muss dem Patienten nur morgens (und mittags) ins richtige Licht rücken (stark, hoher Blauanteil) und abends das zu wenig synthetisierte Schlafhormon Melatonin exogen zuführen. Letzteres wirkt selbst kaum schlafanregend, der Effekt beruht viel mehr auf einer Stabilisierung des zirkadianen Systems. Dazu muss es über einen längeren Zeitraum jeden Abend zur gleichen Zeit eingenommen werden.

Positiver Einfluss wohl auch auf kognitive Symptome

Speziell für die Demenz weiß man heute, dass die nächtlichen Unruhezustände vor allem dann auftreten, wenn die Tage kurz sind und der Himmel bewölkt ist, die Patienten also nur wenig Tageslicht erleben. Entsprechend erfolgreich verlief eine Beleuchtungsstudie mit schwer demenzkranken Pflegeheimbewohnern. Personen, die im Aufenthaltsraum mehr Licht abbekamen, zeigten eher positive Emotionen, waren wacher, gingen je nach Expositionszeitpunkt allerdings auch später schlafen und verbrachten weniger Zeit im Bett.

Bisher werden Demenzpatienten mit nächtlicher Unruhe vor allem mit Benzodiazepinen, Neuroleptika und sedierenden Antiepileptika behandelt. Diese Medikamente wirken jedoch nur symptomatisch und können vor allem bei Älteren gefährliche Nebenwirkungen auslösen. Licht und Melatonin haben dagegen einen kausalen Ansatz und kaum unerwünschte Effekte. Ersten Ergebnissen zufolge wirkt sich die Chronotherapie sogar günstig auf die kognitiven Symptome aus.

Melatonin könnte Entstehung von Parkinson verlangsamen

Auch bei der REM-Schlaf-Verhaltensstörung stößt die bisherige Therapie mit dem vorwiegend genutzten Clonazepam an ihre Grenzen. Das Benzodiazepin reduziert zwar das motorische Ausagieren der Träume, kann jedoch Schlafapnoe, Bewegungseinschränkungen, Gedächtnisstörungen und Verwirrtheit verstärken. So bleibt das Demenz- und Parkinsonrisiko unter Clonazepam erhöht. Melatonin hingegen scheint sich auf den Verlauf der REM-Schlaf-Verhaltensstörung auch längerfristig günstig auszuwirken, auch wenn die Studienlage dazu derzeit noch mau ist. Empfohlen wird, eine Tagesdosis von 3 mg einzunehmen, immer zur gleichen Zeit, und zwar ca. eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen.

In einer Polysomnographie-Studie steigerte dieses Regime den Anteil der REM-Episoden ohne Muskel­atonie. Die Patienten hatten also weniger Gelegenheit, ihre Träume auszuagieren.

Die Autoren verknüpfen damit die Hoffnung, dass ein frühzeitiger Einsatz von Melatonin auch den Übergang in einen M. Parkinson zumindest verlangsamen kann. Eine verstärkte Lichtexposition dürfte sich bei Parkinsonpatienten ebenfalls günstig auswirken: Sie verringert die Tagesschläfrigkeit und verbessert die subjektive Schlafqualität.

Die Autoren sehen zwar noch weiteren Forschungsbedarf. In ihrem Fazit empfehlen sie aber schon heute, bei dementen Patienten auf eine ausreichend am Tageslicht orientierte Beleuchtung zu achten. So lässt sich das geschwächte zirkadiane System stabilisieren. Bei Patienten mit REM-Schlaf-Verhaltensstörung sollte Melatonin als Alternative zu Clonazepam in Betracht gezogen werden.

Quelle: Wahnschaffe A, Kunz D. Internistische Praxis 2020; 62: 74-87

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Licht und Melatonin regulieren den Schlafrhythmus. Licht und Melatonin regulieren den Schlafrhythmus. © iStock/Dean Mitchell