Nächtliche Unruhe: Senioren nicht gleich mit Medikamenten sedieren

Dr. Elke Ruchalla

Manchmal genügen schon kleine Veränderungen im Schlafzimmer, um Patienten bei Schlafproblemen zu helfen. Manchmal genügen schon kleine Veränderungen im Schlafzimmer, um Patienten bei Schlafproblemen zu helfen. © amenic181 – stock.adobe.com

Ist ein älterer Patient nachts ruhelos oder gar verwirrt, muss nicht unbedingt eine neurologische Ursache dahinterstecken. Daher gilt es, zunächst ein wenig Forschung zu betreiben.

Bei nächtlichen Unruhezuständen älterer Patienten ist die klare Abgrenzung zwischen Delir und Demenz nicht immer möglich. Sie ist auch nicht sinnvoll, da vorbestehende kognitive Störungen der wichtigste Risikofaktor für einen Verwirrtheitszustand sind, erklären Dr. Dirk ­Schwerthöffer von der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Technischen Universität München und seine Kollegen.

Die Akuttherapie besteht aus der beruhigenden und aufmerksamen Zuwendung und Pflege des Kranken. Sie ist auch Voraussetzung für die gezielte Therapie und die weitergehende Diagnostik. Im Fall einer akuten, ausgeprägten nächtlichen Agitiertheit mit Selbstgefährdung ist die Behandlung mit Medikamenten aber unerlässlich, schreiben die Autoren.

Eine ganze Reihe nicht-psych­iatrischer Auslöser können die alten Leute nachts aufwachen lassen. Dazu gehören unter anderem:

  • Medikamente, Drogen bzw. deren plötzlicher Entzug, z.B. Benzodiazepine und verwandte Substanzen, Anticholinergika und Alkohol, Kaffee, Tee
  • Schmerzen, etwa durch eine periphere arterielle Verschlusskrankheit, chirurgische Wunden, einen Dekubitus bei chronisch Bettlägerigen oder auch Druck auf der Blase bei gestörter Miktion
  • Stoffwechselstörungen, darunter Hyperthyreose, Hyponatriämie, Hypoglykämie, Dehydratation

Ist man sich der Ursache der nächtlichen Unruhe sicher, kann man versuchen, diese gezielt auszuschalten. Besteht der Verdacht, dass der nächtlichen Agitiertheit eine beginnende Demenz zugrunde liegt, lässt sich das mit ein paar gezielten Fragen prüfen.

Den Verwirrtheitszustand erkennen

Den 4AT-Test haben Wissenschaftler ursprünglich als Screening-Instrument für Delirzustände und kognitive Einschränkung entwickelt. Er prüft
  • Wachheit (Alertness): Spricht man den schlafenden Patienten an, soll er innerhalb von 10 Sekunden adäquat reagieren.
  • Orientierung (Abbreviated Mental Test 4): Der Patient soll korrekte Angaben zur Person (Alter, Geburtsdatum), zu Ort und Zeit machen.
  • Aufmerksamkeit (Attention): Der Kranke soll die Monate des Jahres in umgekehrter Reihenfolge nennen, beginnend mit Dezember.
  • fluktuierende Symptomatik (Acute change or fluctuation): Veränderungen von Aufmerksamkeit und Wahrnehmung werden abgefragt, z.B. neu aufgetretene Halluzinationen oder Paranoia.
Den jeweiligen Reaktionen und Antworten bzw. einem „Ja“ bei der Symptomfluktuation ist ein Punktwert zugeordnet. Aus dem Gesamtwert lässt sich der Verdacht auf ein Delir oder ein kognitives Defizit erhärten oder ausräumen. Nähere Infos zum 4AT-Test »

In der Behandlung des Unruhezustands haben auf jeden Fall nicht-medikamentöse Ansätze Vorrang, betonen die Experten. Manchmal genügen schon kleine Veränderungen. Die bereitgelegte Brille etwa oder das Hörgerät erleichtern dem Senior die Orientierung. Ist das Schlafzimmer nachts zu hell, fehlen verdunkelnde Vorhänge.

Keine Benzos und keine Z-Substanzen

Sind die Ursachen für die Schlafprobleme aber komplexer oder gefährdet der Patient sich oder andere, müssen schwerere Geschütze her. Helfen kann dann ein Antidepressivum mit sedierender Wirkung, z.B. Mirtazapin bei komorbiden depressiven oder psychotischen Symptomen. Für die Behandlung nächtlicher Unruhezustände bei dieser Patientengruppe gibt es allerdings keine evidenzbasierten Empfehlungen, erinnern die Psychiater. Neigt der Betroffene zu Aggressionen, kommen Neuroleptika infrage, etwa Risperidon und Trazodon. Bei Erkrankungen mit Dopaminmangel – M. Parkinson, aber auch Lewy-Körperchen-Demenz – scheiden Substanzen mit starker antidopaminerger Komponente aus, wie Risperidon oder Aripiprazol. In solchen Fällen raten die Autoren zu Quetiapin. Aber Vorsicht: Ohne Nebenwirkungen kommt keines der Arzneimittel daher. Andererseits bietet ein gesteigerter Appetit, wie es für Mirtazapin beschrieben ist, bei gebrechlichen Patienten möglicherweise einen Vorteil. Von Benzo­diazepinen und den sogenannten Z-Substanzen rät das Autorentrio explizit ab. Allenfalls bei abhängigen Patienten mit akuten Entzugserscheinungen können Sie diese Medikamente verordnen – so kurz und so niedrig dosiert wie möglich. Ansonsten stören sie den normalen Schlafrhythmus, führen schnell zur Sucht und erhöhen die Sturzgefahr.

Quelle: Schwerthöffer D et al. Dtsch Med Wochenschr 2020; 145: 634-638; DOI: 10.1055/a-1124-2374

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Manchmal genügen schon kleine Veränderungen im Schlafzimmer, um Patienten bei Schlafproblemen zu helfen. Manchmal genügen schon kleine Veränderungen im Schlafzimmer, um Patienten bei Schlafproblemen zu helfen. © amenic181 – stock.adobe.com