COPD: Diese neuen Kriterien sind treffsicherer als die von GOLD

Manuela Arand

Werden im CT Emphyseme sichtbar, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine COPD vorliegt. Werden im CT Emphyseme sichtbar, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine COPD vorliegt. © Science Photo Library/Zephyr

US-Kollegen schlagen eine neue Definition der COPD vor, die Patienten umfassend und prognoserelevant charakterisieren soll. Der Charme dieses Ansatzes: Er stützt sich auf eine Diagnostik, die meist sowieso gemacht wird.

Ein Problem, vor dem Ärzte in der Betreuung von COPD-Patienten stehen, ist die enorme Heterogenität des Krankheitsbildes. Die äußert sich unter anderem darin, dass die Lungenfunktion bei manchen sehr schnell und bei anderen kaum oder gar nicht nachlässt. Bei einem Tiffeneau-Index über 0,7 gelten selbst Patienten mit hoher Symptomlast und/oder typischen Befunden in der Bildgebung als nicht COPD-krank – eine unbefriedigende Situation, denn dieser Gruppe kann der Arzt keine evidenzbasierte Diagnose und Therapie anbieten.

PRISm als Frühstadium der COPD interpretieren?

Dasselbe betrifft Menschen, die trotz deutlich reduzierter FEV1 das Diagnosekriterium nicht erfüllen, weil die FVC ebenfalls unter der Norm liegt. Eine solche Konstellation (FEV1 < 80 %, FEV1/FVC ≥ 0,7) wird als Preserved Ratio-Impaired Spirometry (PRISm) bezeichnet.

Ob und welche dieser Patienten von der Standardtherapie profitieren, bleibt ebenso ungeklärt wie die Frage, ob man die PRISm als Frühstadium der COPD betrachten soll und ob sie immer in das Vollbild übergeht. Gefragt sind außerdem Strategien, um jene zuverlässig zu identifizieren, die ein hohes Risiko für eine beschleunigte Progression haben.

Daten von knapp 9000 Patienten ausgewertet

Die 2008 gestartete epidemiologische Studie COPDGene® bietet mit rund 10.000 Teilnehmern – allesamt Raucher oder Exraucher mit mindestens zehn Packungsjahren – unter Langzeitbeobachtung eine ideale Plattform, um solchen Fragen nachzugehen. Den aktuellen Ergebnissen hat das Journal der COPD Foundation eine Spezialausgabe gewidmet.

Dr. Katherine E. Lowe, Cleveland Clinic Lerner College of Medicine – Case Western Reserve School of Medicine, hat gemeinsam mit über 100 Koautoren die Daten von knapp 9000 COPDGene®-Teilnehmern ausgewertet. Anhand der geltenden GOLD-Kriterien würde knapp die Hälfte davon als COPD-krank diagnostiziert.

Eine erweiterte Definition, die auch abnorme CT-Befunde einbezieht (Emphysem, Überblähung und/oder verdickte Atemwegswände), identifiziert weitere 3144 Betroffene und erhöht den Anteil derer mit möglicher, wahrscheinlicher oder definitiver COPD auf 82 %. Daraus haben die Autoren eine neue Definition abgeleitet, die auch die Bildgebung einschließt und die pathologische Lungenfunktion um reduzierte FEV1 bei normalem FEV1/FVC-Quotienten erweitert.

COPD möglich, wahrscheinlich oder gesichert?

  • Exposition gegen inhalative Noxen (v.a. Tabakrauch, Verbrennungsgase aus Biomasse)
  • Symptome (Dyspnoe und/oder chronische Bronchitis mit Husten und Auswurf)
  • spirometrisch dokumentierte Atemwegsobstruktion (FEV1 < 80 % und/oder FEV1/FVC < 0,7)
  • abnorme Strukturbefunde im CT (≥ 5 % Emphysem, ≥ 15 % Überblähung und/oder verdickte Atemwegswand)
Treffen zwei Kriterien zu, gilt die COPD als möglich, bei drei Kriterien als wahrscheinlich und bei vier als gesichert. Exposition ist Voraussetzung für die Diagnose.

Je mehr Kriterien die Patienten erfüllten, desto höher stieg die Sterblichkeit. Bei denen mit vier „Treffern“ erreichte sie das Fünffache von Rauchern ohne COPD.

Subtypen unterscheiden sich auch beim Sterberisiko

Auch der Lungenfunktionsverlust korrelierte nahezu linear mit der Zahl vorhandener Kriterien. In weiteren Analysen der COPDGene®-Kohorte konnten Dr. Kendra A. Young, Department for Epidemiology, Colorado School of Public Health, Aurora, und Kollegen zeigen, dass sich Subtypen der COPD in Pathophysiologie und Sterberisiko deutlich unterscheiden. Patienten, bei denen die COPD primär die Atemwege befallen hatte, wiesen eine Fünfjahresmortalität von 21 % auf – doppelt so hoch wie bei denen mit emphysemdominanter Erkrankung. Am höchsten lag die Mortalität beim Mischbild: Hier starb binnen fünf Jahren jeder Zweite. COPD-Kranke ohne Emphysem und Atemwegsbeteiligung hatten, wie zu erwarten, die beste Prognose. Die Subtypen unterschieden sich außerdem in der Art und Weise, wie die Lungenfunktionseinschränkung fortschritt. Der Atem­wegstyp erreichte schneller GOLD 2–4 als der Emphysemtyp. Die Progression ließ sich vor allem in den frühen Stadien der Lungenfunktionsstörung durch einen Rauchstopp verlangsamen. Das stützt das Konzept der frühen Intervention, heißt es im begleitenden Kommentar dreier führender europäischer Pneumologen. Der Atemwegstyp wird eine Therapie benötigen, die der Fibrose in den kleinen Atemwegen Einhalt gebietet, während der Emphysemtyp Schutz vor der alveolären Destruktion braucht. Die Autoren plädieren außerdem dafür, die Funktion der kleinen Atemwege bei der COPD intensiver zu untersuchen. Dort könnten sich erste Anzeichen der Krankheit zeigen, lange bevor die Lungenfunktion abnimmt.

Die CT wird ohnehin meist durchgeführt

Die neue Definition, „COPDGene® 2019“ genannt, scheint sich also besser als die GOLD-Kriterien zu eignen, Patienten zu identifizieren und ihr Risiko für eine schlechte Prognose einzuschätzen. Natürlich braucht man dafür ein Thorax-CT. Und das wird in Industrienationen bei Rauchern mit chronischen Atemwegssymptomen meist ohnehin gemacht.

Quellen:
1. Lowe KE et al. Chronic Obstr Pulm Dis 2019; 6: 384-399; DOI: 10.15326/jcopdf.6.5.2019.0149
2. Young KA et al. A.a.O.: 400-413; DOI: 10.15326/jcopdf.6.5.2019.0150
3. Young KA et al. A.a.O.: 414-429; DOI: 10.15326/jcopdf.6.5.2019.0155
4. Barnes PJ et al. A.a.O.: 380-383; DOI: 10.15326/jcopdf.6.5.2019.0173

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Werden im CT Emphyseme sichtbar, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine COPD vorliegt. Werden im CT Emphyseme sichtbar, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine COPD vorliegt. © Science Photo Library/Zephyr
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