Endlich ein Standard für die akute Graft-versus-Host-Erkrankung?

Josef Gulden

Bei diesem Mann hat sich aus einer akuten eine chronische GvHD gebildet – zu sehen an der vermehrten Hautpigmentierung. Bei diesem Mann hat sich aus einer akuten eine chronische GvHD gebildet – zu sehen an der vermehrten Hautpigmentierung. © Science Photo Library/Biophoto Associates

Patienten, die nach einer allogenen Stammzelltransplantation eine akute Graft-versus-Host-Erkrankung entwickeln, erhalten gewöhnlich Steroide. Schlagen diese nicht an, blieben bislang nur wenig wirksame Salvage­therapien. Der JAK1/2-Inhibitor Ruxolitinib soll dies ändern.

Der Signalweg von JAK* und STAT** ist maßgeblich an der Pathogenese der akuten Graft-versus-Host-Erkrankung (aGvHD) beteiligt. Denn er fördert Immunzellen und Entzündungsreaktionen im Gewebe, einschließlich der Aktivierung von dendritischen Zellen und Neutrophilen sowie der Expression inflammatorischer Zytokine. Nach positiven Phase-2-Daten untersuchten deshalb Forscher um den Onkologen Professor Dr. Robert­ Zeiser­ von der Uniklinik Freiburg den JAK1/2-Inhibitor Ruxolitinib in der internationalen Phase-3-Studie REACH2 bei Menschen mit schwerer aGvHD.

Sie randomisierten 309 steroid­refraktäre Patienten entweder zu Ruxolitinib oder zu einer vom behandelnden Arzt ausgewählten Option aus einer Liste von neun häufig angewendeten Therapien („best practice“).

Hintergrund

Die allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation verspricht für viele Patienten mit hämatologischen (nicht-)malignen Erkrankungen die einzige kurative Therapieoption. Sie stellt aber auch eine Gratwanderung dar: Der erwünschte Angriff der Spender-Lymphozyten auf die Tumorzellen kann sich sehr leicht gegen gesunde Zellen in verschiedenen Organen des Empfängers richten und eine Graft-versus-Host-Erkrankung auslösen, die in ihrer akuten Ausprägung (aGvHD) v.a. Haut, Leber und Gastrointestinaltrakt betrifft. Allen prophylaktischen Bemühungen zum Trotz stellt sich die aGvHD bei etwa jedem zweiten Patienten ein. Insbesondere wenn sie gegen die Standardbehandlung mit Glukokortikoiden refraktär ist, hat sie eine schlechte Prognose und kann lebensbedrohlich werden. Eine ganze Reihe von Therapiemöglichkeiten stehen zwar zur Verfügung, aber keine von ihnen hat es bislang zum allgemein akzeptierten Standard gebracht.

Jeder Vierte nach acht Wochen in Komplettremission

Ruxolitinib war den konventionellen Behandlungen bereits nach vier Wochen deutlich überlegen mit einer Ansprechrate von 62,3 % vs. 39,4 %; (Odds Ratio [OR] 2,64; p < 0,001). Darunter umfassten 34,4 % bzw. 19,4 % Komplettremissionen. Weitere vier Wochen später verzeichnete die Beobachtungsgruppe beinahe doppelt so viele Erfolge mit 39,6 % vs. 21,9 % Remissionen (OR 2,38; p < 0,001) und 26,6 % vs. 16,1 % Komplettremissionen. Sechs Monate nach Beginn hatten 10 % der Responder im Ruxolitinib- gegenüber 39 % derer des Kontroll­arms ihr Ansprechen verloren. Das durchschnittliche Überleben ohne Therapie­versagen betrug unter dem JAK1/2-Inhibitor fünf Monate im Vergleich zu einem Monat unter dem gängigen Vorgehen. Die Hazard Ratio (HR) für ein Rezidiv, eine Progression der Grunderkrankung, neue systemische Therapie der aGvHD und/oder rezidivbedingten Tod bezifferte sich auf 0,46 (95%-KI 0,35–0,60). Das Gesamtüberleben fiel zwar im Ruxolitinibarm deutlich länger aus, aber der Unterschied von median 11,1 Monaten vs. 6,5 Monate zur Kontrolle erreichte keine Signifikanz (HR 0,83; 95%-KI 0,60–1,15). Auch bei der nicht-rezidivbedingten Mortalität ließ sich mit einer kumulativen Inzidenz nach 18 Monaten von 49 % vs. 51 % kein signifikanter Vorteil für die Prüfgruppe erkennen.

Häufig Thrombozytopenien im ersten Monat

An Nebenwirkungen in den ersten vier Wochen war v.a. eine Thrombozytopenie unter Ruxolitinib deutlich häufiger (33 % vs. 18 %), Anämien (30 % vs. 28 %) und Cytomegalovirus-Infektionen (26 % vs. 21 %) traten ähnlich oft auf. Dies sind die ersten positiven Phase-3-Daten für eine Behandlung der steroidrefraktären akuten Graft-versus-Host-Erkrankung. Die Komplikation der allogenen Stammzelltransplantation wird weiterhin eine große therapeutische Herausforderung bleiben, aber mit den REACH2-Ergebnissen dürfte sich Ruxolitinib als Standard für diese Indikation etablieren, glauben die Wissenschaftler. Die FDA hat es in den USA aufgrund der Daten bereits für die aGvHD zugelassen. 

* Janus-Kinase
** Signal Transducers and Activators of Trans­cription

Quelle: Zeiser R et al. N Engl J Med 2020; 382: 1800-1810; DOI: 10.1056/NEJMoa1917635

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Bei diesem Mann hat sich aus einer akuten eine chronische GvHD gebildet – zu sehen an der vermehrten Hautpigmentierung. Bei diesem Mann hat sich aus einer akuten eine chronische GvHD gebildet – zu sehen an der vermehrten Hautpigmentierung. © Science Photo Library/Biophoto Associates