Ernährungsmediziner blickt über den Tellerrand: Acht Dogmen auf dem Prüfstand

Dr. Barbara Kreutzkamp

Ein Smoothie enthält etwa so viel Zucker wie 600 g Erdbeeren. Ein Smoothie enthält etwa so viel Zucker wie 600 g Erdbeeren. © fotolia/pilipphoto

Fruchtsäfte und Milch sind gut, viel Salz ist schlecht: nur einige der Thesen, die immer wieder runtergebetet werden. Ein Ernährungsmediziner nimmt acht gängige Empfehlungen unter die kritische Lupe.

Ernährungsempfehlungen stehen auf wackeligen Füßen, stellt Privatdozent Dr. David Fäh vom Fach­bereich Gesundheit/Ernährung und Diätetik der Fachhochschule Bern fest. Trotzdem halten sich viele Gebote hartnäckig, unterstützt von immer gleichlautenden Informationen aus den Medien, ohne dass Quellen kritisch hinterfragt werden oder gar Evidenz gefordert wird.

Zur Erinnerung: Die meisten Empfehlungen bzw. Behauptungen basieren allein auf Annahmen einiger Experten oder Nahrungsmittelhersteller, sind älteren Datums oder stammen aus Beobachtungsstudien von minderer Qualität. Einige Beispiele für echte Mythen:

"Fruchtsäfte sind gesund"

Eher falsch, schreibt Dr. Fäh. Zwar senkt der Verzehr von Obst anerkanntermaßen das Risiko für verschiedene Erkrankungen. Doch fehlen den Säften die sättigenden Faserbestandteile, Kauarbeit entfällt und in kurzer Zeit nehmen wir deutlich mehr Kalorien als beim Früchteverzehr zu uns. Ein Zuviel dieser Getränke kann deshalb durchaus zu einer Gewichtszunahme führen, so das Ergebnis zweier Studien. Außerdem ist deren Zucker nicht gesünder als der aus Cola und Co., denn er hat genauso einen natürlichen Ursprung, nämlich aus der Zuckerrübe. Und schließlich erhöht Fruktose der Früchte vermutlich die Triglyzeride und beeinträchtigt die Insulinwirkung.

"Milch und Kalziumsupplemente helfen gegen Osteoporose"

Das tun sie wahrscheinlich nicht, zumindest reduzieren sie laut Studien das Frakturrisiko kaum, kritisiert Dr. Fäh die Empfehlung. Zudem gerieten Milchprodukte und Kalziumsupplemente vor Kurzem in den Verdacht, das Risiko für Herzerkrankungen zu erhöhen. Sinnvoller als Tabletten zu schlucken und fleißig Käse zu essen, ist vielmehr die regelmäßige körperliche Belastung. Ein vorsichtiger Umgang mit Medikamenten und Alkohol trägt ebenfalls kostengünstig und effektiv zur Sturzprophylaxe im Alter bei.

"Moderater Alkoholkonsum fördert die Gesundheit"

Das "French Paradoxon" geistert noch immer in den Köpfen vieler Mediziner herum, meint Dr. Fäh. Doch das Dogma gerät jetzt ins Wanken: Der Zusammenhang zwischen mäßigem Weinkonsum und erniedrigtem Herz-Kreislauf- oder Diabetes-Risiko könnte ein Ergebnisartefakt aufgrund von Fehlern im Studiendesign sein. Und selbst wenn man einen Schutzeffekt unterstellt, sollten die auch bei moderatem Alkoholkonsum vorhandene Sucht- und Unfallgefahr sowie ein erhöhtes Risiko für manche Krebsarten berücksichtigt werden.

Diese Empfehlungen haben Bestand

Fisch statt Fleisch, das bleibt auch neueren Studien zufolge sinnvoll. Nur die Begründung hat sich geändert: Vermutlich ist es weniger die vermehrte Omega-3-Fettsäure-Zufuhr als vielmehr der geringere Verzehr von rotem Fleisch, der das Sterberisiko vermindert.

Auch der Apfel pro Tag, der den Doktor fernhalten soll, fördert tatsächlich die Gesundheit. Der Grund: Liebhaber der Frucht nehmen weniger Medikamente ein. Außerdem deutet eine Studie darauf hin, dass der tägliche Apfel ähnlich positiv wirken könnte wie Statine.

Uneingeschränkt empfohlen werden kann nach wie vor die "mediterrane" Ernährung. Das vielseitige und leckere Angebot mit seiner Mischung aus Gemüse, Obst, Nüssen, Ölen, faserreichen Kohlenhydraten, Milchprodukten, Fisch, Meeresfrüchten und Geflügel verbietet nichts, ist farbenfroh und dient in hohem Maße dem Genuss. Deshalb bleiben die Menschen, die damit leben, auch bei der Stange und unterstützen auf diese Weise ihre Gesundheit nachhaltig.

Nüsse helfen beim Abnehmen – das funktioniert offenbar tatsächlich, denn von den vielen Kalorien in der rohen Frucht landet ein Großteil in der Toilette. Zudem sättigen Nüsse gut.

Verbieten wird man den überschaubaren Genuss von Wein oder Bier allein aus Gründen der Lebensqualität zwar nicht unbedingt. Aber ihn explizit anzuraten, nur um die HDL-Werte etwas besser aussehen zu lassen, geht laut Dr. Fäh doch etwas zu weit.

"Weniger Kochsalz hilft immer"

Dass eine Salzrestriktion den Blutdruck mancher Hypertoniker senkt, ist unbestritten. Außerdem besteht eine Assoziation zwischen salzigem Essen und Adipositas. Doch bei Gesunden kann sich die Empfehlung auch negativ auswirken – einigen Untersuchungen zufolge nimmt bei starker Salzrestriktion das Herz-Kreislauf-Risiko wieder zu.

Der Ernährungswissenschaftler erklärt das so: Vielleicht kompensiert der Körper eine zu geringe NaCl-Zufuhr mit einer Aktivierung von Renin-Angiotensin-Aldosteron-System und Sympathikus und verschafft sich so internen Stress mit der Folge eines Blutdruckanstiegs.

Quelle: Fäh D. Therapeut Umschau 2016; 73: 679-686

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Ein Smoothie enthält etwa so viel Zucker wie 600 g Erdbeeren. Ein Smoothie enthält etwa so viel Zucker wie 600 g Erdbeeren. © fotolia/pilipphoto