
Farbspiel der Langfinger

Bei über 50 % der zugewiesenen Patienten mit Raynaud-Phänomen erweist sich die Verdachtsdiagnose als falsch, so die Erfahrung von Dr. Peter Klein-Weigel von der Klinik für Angiologe am Ernst-von-Bergmann-Klinikum Potsdam. Per definitionem handelt es sich beim Raynaud um einen intermittierend auftretenden, durch Kältereize ausgelösten Vasospasmus im Bereich der Akren.
Typischerweise führt er zunächst zu einer Weißfärbung der Haut, dann zu einer bläulich-zyanotischen Verfärbung und schließlich – durch die nachfolgende Hyperämie –zu einer Rötung. Nicht immer werden alle Stadien durchlaufen. In etwa 8 % der Fälle fehlt die initiale Abblassung („blauer Raynaud“), auch die Rotfärbung wird nicht immer beobachtet. Meist sind die langen Finger betroffen, in etwa 10 % auch die Zehen. Nur selten manifestiert sich ein Raynaud an Kinn, Nase, Ohren, Zunge, Brustwarzen oder Genitalien. Die Anfälle dauern unterschiedlich lang, im Schnitt etwa 20 Minuten. Rund 60 % der Betroffenen erleiden mindestens einmal täglich eine Attacke.
Ein Raynaud ist nicht selten. Wie die Framingham-Studie zeigte, sind in den USA knapp 10 % der Frauen und 8 % der Männer betroffen. In mediterranen Gefilden ist die Prävalenz deutlich niedriger. Bei etwa vier Fünfteln handelt es sich um ein primäres Raynaud-Phänomen, das nicht auf einer Grunderkrankung fußt. In etwa 10 % der Fälle wird binnen zehn Jahren aus einem scheinbar primären dann doch noch ein sekundäres Phänomen.
Klinische Hinweise für einen sekundären Raynaud können sein:
- erstmaliges Auftreten im Kindesalter oder im Alter > 40 Jahre
- männliches Geschlecht
- digitale Ulzerationen oder Narben
- asymmetrische Anfälle
- Pulsabschwächung oder fehlende Pulse
- pathologischer Allen-Test
- Kachexie, Marasmus, B-Symptomatik
Mit etwa 90 % die häufigste sekundäre Ursache sind Kollagenosen und darunter vor allem die systemische Sklerodermie. Deutlich seltener sind Hand- und Armarterienverschlüsse, Malignome, Berufserkrankungen wie das Hand-Arm-Vibrations-Syndrom sowie Kompressionssyndrome der oberen Extremität. Auch zahlreiche Medikamente und Stimulanzien wie Amphetamine und Kokain können eine Raynaud-Symptomatik auslösen. Familiäre Vorbelastung ist das größte Risiko.
Im Gegensatz dazu ist die Ätiologie des primären Raynaud unklar. Eine große Rolle scheinen genetische Faktoren zu spielen – familiäre Vorbelastung ist der stärkste Risikofaktor. Einiges spricht dafür, dass es sich um eine allgemeine Temperaturregulationsstörung handelt. So ist bei Betroffenen die Basaltemperatur erniedrigt, fällt unter Kältebelastung stärker ab und erholt sich langsamer als bei Gesunden. Auch die lokale Reaktion auf Kälte- und Wärmereize ist gestört. Bei Frauen unterbleibt zudem der typische Temperaturanstieg nach dem Eisprung.
Für die Diagnose ist vor allem die ausführliche Anamnese mit Berücksichtigung von Familiengeschichte, Beruf, Medikation und Drogenmissbrauch. Mittels Allen-Test und Nagelfalzkapillarmikroskopie können die Durchblutungsverhältnisse in der Hand überprüft werden. Außerdem sollte zum Ausschluss einer Kollagenose stets eine Autoantikörperbestimmung erfolgen.
Nicht bei jedem Raynaud ist eine Therapie erforderlich – häufig reichen Kälteschutzmaßnahmen und das Vermeiden spezifischer Auslöser. Zur Anfallskupierung haben sich Nitro- oder Diltiazemcreme als wirkungsvoll erwiesen. Prophylaktisch können, bei sehr häufigen Anfällen, Nifedipin retard (3x 20 mg/d), Losartan (50 mg/d) oder Sildenafil (3x 20 mg/d) helfen, die die Anfallshäufigkeit um 20–40 % reduzieren. Im selben Bereich liegt der Effekt einer Infusionstherapie mit Iloprost.
Kongressbericht: 13. Interdisziplinäres Update Gefäßmedizin
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