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Fast taub nach HWS-Injektion: Lokalanästhetikum wirkte neurotoxisch

Die 39-Jährige war eigentlich bei ihrem Hausarzt gewesen, um die andauernde zervikale Myogelose mit einer lokalen Injektionstherapie behandeln zu lassen. Doch nach Applikation einer Wirkstoff-Mischung aus Metamizol, Tramadol, Dexamethason und Mepivacain im Bereich des vierten und fünften Halswirbels kollabierte die Frau. Eine Schocklagerung half, doch die folgende sensomotorische Tetraparese mit Stand- und Gangataxie plus beidseitiger Hörminderung und Tinnitus ließ Böses erahnen.
In der Johannes Gutenberg-Universitätsklinik Mainz besserten sich zwar Lähmung und die begleitende Vigilanzminderung spontan, leichte Hyperästhesien der unteren Extremitäten blieben jedoch bestehen. Aufgrund der subakuten Hörproblematik wandten sich die behandelnden Neurologen an Dr. Benjamin P. Ernst und seine Kollegen von der HNO- und Poliklinik.
Tief rauschender Tinnitus und retrocochleäre Leitungsstörung
Im HNO-Konsil imponierte tonaudiometrisch eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit rechts sowie eine gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit links. Gehörgänge und Trommelfelle waren allerdings intakt. Den rechtsbetonten Tinnitus beschrieb die Frau als tieffrequentes Rauschen. In der sprachaudiometrischen Untersuchung war die Patientin im Silbentest bei 65 dB hochgradig eingeschränkt, was sich mit zunehmender Lautstärke verschlimmerte. Hirnstammaudiometrisch konnten die Ärtze eine retrocochleäre Leitungsstörung nachweisen, bei 100 dB nHL* ließ sich beidseits lediglich die Welle I ableiten.
N. vestibularis und N. chochlearis geschädigt
Basierend auf der neurologischen Funktion und weiteren Untersuchungen wurde eine beidseitige Schädigung des N. chochlearis (vor Eintritt in den Hirnstamm) sowie der Pars inferior des N. vestibularis (rechts) diagnostiziert. Auch nach drei Monaten besserten sich die Hörprobleme nicht.
Die HNO-Kollegen gehen davon aus, dass die Symptome eine direkte Folge der HWS-Injektion sind, und betonen, dass lokale Injektions- und Infiltrationsbehandlungen nur sehr kritisch und nach ausführlicher – gut dokumentierter – Aufklärung und Einwilligung des Patienten angewendet werden sollten.
Ein Cochleaimplantat bringt hier nichts
Wahrscheinlich hatte der Arzt bei der Injektion das Zervikalmark versehentlich punktiert, was sich in der passageren Lähmung äußerte, schreiben die HNO-Experten. Für Amid-Lokalanästhetika, wie das in diesem Fall verwendete Mepivacain, ist eine Neuro- und Ototoxizität bekannt. Der Schaden an den Vestibulocochlear-Nerven ist daher durch eine Ausbreitung der fehlapplizierten Wirkstoffe über die Liquorräume zu erklären, die durch die Schocklagerung forciert wurde. Ein Cochleaimplantat ist bei einem retrocochleären Schaden nur wenig Erfolg versprechend, betonen die Autoren. Daher verschrieben sie der Frau ein BiCROS-Hörgerät. Mit diesem kommt die 39-Jährige bisher gut zurecht.
* normal hearing level
Quelle: Ernst BP et al. HNO 2018; 66: 843-846
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