Fusionsproteine und DNA-Reparatur als weitere Targets in Magen und Darm

Dr. Claudia Schöllmann

Das Wissen über Signalwege sollten wir bestmöglich zur zielgerichteten Therapie nutzen. Das Wissen über Signalwege sollten wir bestmöglich zur zielgerichteten Therapie nutzen. © iStock/nicolas_

Zielgerichtete Therapiestrategien, die auf Genamplifikationen bzw. -fusionen oder auch Änderungen in DNA-Reparatur-Mechanismen basieren, werden mittlerweile auch bei gastrointestinalen Tumoren genutzt. Über den Stand der Forschung berichteten gleich mehrere Kollegen.

Bei Magenkarzinomen, bei denen eine entsprechende Gen­amplifikation vorliegt, ist zwar eine therapeutische Beeinflussung des HER2-Signalwegs mit Trastuzumab laut Professor Dr. Andrea Sartore-­Bianchi, Niguarda Cancer Center, Mailand, bereits Therapiestandard. Doch auch beim kolorektalen Karzinom (CRC) eröffnen sich nach Aussage des Referenten therapeutische Optionen. So habe sich die duale Blockade mit Trastuzumab plus Lapatinib oder Pertuzumab in kleineren Studien güns­tig auf das Ansprechen und das progressionsfreie Überleben (PFS) von Patienten ausgewirkt.

Grad der HER2-Amplifikation bestimmt den Erfolg

Auch beim Cholangiokarzinom gibt es diesbezüglich vielversprechende Resultate, betonte Prof. Sartore-Bianchi. Das Ausmaß des Benefits sei allerdings abhängig vom Grad der HER2-Amplifikation im Tumor. Er erläuterte, dass speziell Metastasen oft eine große molekulare Heterogenität aufweisen, sodass es auch zu einem Verlust der HER2-Expression kommen könne.

Trotz dieser Einschränkungen stellt der HER2-Signalweg für den Experten ein vielversprechendes Target für gastrointestinale (GI) Tumoren auch jenseits des Magenkarzinoms dar. Von der dualen Blockade sind jedoch bessere Ergebnisse zu erwarten als von der Monotherapie mit Trastuzumab.

Fusionsgene bzw. die daraus resultierenden Proteine sind ebenfalls interessante Targets für GI-Tumoren, berichtete Professor Dr. ­Pierre Laurent-­Puig, Université Paris Descartes, Paris. Als mögliche Zielstrukturen nannte er die häufige CLDN18-ARHGAP-Fusion beim Magenkarzinom. Diese repräsentiert auf Proteinebene eine Fusion zwischen dem Tight-Junction-Protein Claudin und einem Regulator für G-Proteine. Die Fusion kommt vor allem bei Frauen und jüngeren Patienten vor. Zudem ist sie mit genomisch besonders stabilen Tumoren des diffusen Typs assoziiert, die nicht von einer oxaliplatin/fluoropyrimidin-basierten Chemotherapie profitieren, so der Referent.

Auch Fusionen, die eine RhoGAP-Domäne enthalten, sind beim Magenkarzinom mit einer besonders schlechten Prognose assoziiert. Weitere Genfusionen sind vom Cholangiokarzinom (FGFR2) und vom Pankreaskarzinom (NRG1) bekannt. Beim CRC gibt es Genfusionen wie ­ALK-, BRAF-, ROS-, NTRK- und RET-Rearrangements, die in kleineren Studien bereits durch verfügbare Hemmstoffe erfolgreich therapeutisch angegangen werden konnten, sagte Prof. Laurent-Puig.

Dr. Talia Golan, Sheba Medical Center, Ramat Gan, widmete sich in ihrem Vortrag schließlich den DNA-Reparatur-Mechanismen (DDR) und der Frage, wie sich Änderungen in diesen Mechanismen therapeutisch beeinflussen lassen. Diese sind durch genetische Alterationen bedingt und gehen oft mit Behandlungsresistenzen einher, so die Expertin. Typische Änderungen in DDR-Wegen sind die Mikrosatelliteninstabilität (MSI) und die homologe Rekombinationsdefizienz (HRD). Wie Dr. Golan berichtete, sprechen gastrointestinale MSI-Tumoren in besonderem Maße auf Checkpoint-Inhibitoren an und entsprechende Behandlungsstrategien werden derzeit entwickelt.

NGS für alle? Jein!

Angesichts der bekannten molekularen Veränderungen bei gastrointestinalen (GI) Tumoren, die allerdings bisher nur in geringem Maße therapeutisch angegangen werden, stellt sich die Frage, ob alle Patienten mit GI-Tumoren vor Einleitung einer Therapie mittels Next Generation Sequencing (NGS) auf ihre genetischen Alterationen getestet werden sollten. Professor Dr. Michael J. Pishvaian, MD Anderson Cancer Center, Houston, beantwortete diese Frage mit: „definitiv ja!“. Er verwies darauf, dass teure Standardtherapien mit begrenztem Überlebensbenefit bei fortgeschrittenen Tumoren selbstverständlich eingesetzt würden, während eine vergleichsweise günstige Paneltestung eine zielgerichtete Therapiestrategie erlaube, die mit einem wirklichen Überlebensvorteil für die Patienten einhergehe. Dr. Gerhard Prager, Allgemeines Krankenhaus der Stadt Wien, konterte, dass derzeit wenige gesicherte Erkenntnisse aus großen Studien vorliegen, die eine breite Paneltestung als Voraussetzung für eine zielgerichtete Therapie oder auch Immuntherapie rechtfertigen. Dr. Prager verwies auf die ESMO-Leitlinien zum CRC, die neben der Bestimmung des therapeutisch bedeutsamen RAS-Mutationsstatus derzeit nur die Erhebung des BRAF-Mutationsstatus und die MSI-Testung empfehlen. Dafür sei aber keine Paneltestung nötig.

DNA-Reparatur-Mechanismen sind noch selten das Ziel

Gastrointestinale Tumoren mit HRD können laut der Referentin mit PARP-Inhibitoren angegangen werden. Jedoch scheint der Zusammenhang zwischen einem Ansprechen auf eine platinbasierte Therapie und dem Ansprechen auf einen PARP-Inhibitor bei GI-Tumoren nicht so eng zu sein wie bei anderen Tumorentitäten, z.B. dem Ovarialkarzinom. Insgesamt ist die klinische Implementation von Strategien, die auf DDR-Mechanismen zielen, im GI-Bereich noch sehr limitiert, betonte Dr. Golan. Neue Medikamente für bestimmte DDR-Subtypen seien aber in der Entwicklung.

Quelle: 21. World Congress on Gastrointestinal Cancer (WCGC)

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