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HPV-positive Oropharynx-Karzinome brauchen weiter die Chirurgie

„Deeskalation heißt nicht, die effektivste Therapie zu ersetzen“, betonte Professor Dr. Thomas Kuhnt, Strahlenmediziner vom Universitätsklinikum Leipzig. Nebenwirkungen und funktionelle Aspekte sollten die Therapieentscheidung nur bestimmen, wenn die infrage kommenden Therapien auch die gleichen onkologischen Ergebnisse ermöglichen. Die Chirurgie ist dabei aus mehreren Gründen nicht verzichtbar:
- Es fehlen prospektive randomisierte Studien zum Verzicht auf die OP.
- Die OP als Einzelmodalität ging in der Vergangenheit zwar mit mehr Nebenwirkungen einher als die Bestrahlung (RT), transorale OP-Techniken haben die schwerwiegenden Langzeitfolgen aber deutlich reduziert.
- Die pathologischen Merkmale aufgrund der OP ermöglichen eine Stratifizierung der Erkrankungsprogression.1
„Der Chirurg bestimmt die Resektabilität des Tumors und damit die Therapieentscheidung“, fügte Professor Dr. Stephan Lang, Direktor der Universitäts-Hals-Nasen-Ohren-Klinik Essen, hinzu. „In vielen Studien war die Prognose der Patienten besser, wenn die Chirurgie Bestandteil der Therapie war.“ Das betrifft auch funktionelle Aspekte wie das Schlucken, berichtete er.
Spättoxizitäten bei jüngerem Patientenkollektiv relevanter
Weil Patienten mit HPV-positiven Oropharynxkarzinomen eher jünger sind, haben für ihn aber auch Spättoxizitäten eine besondere Bedeutung, die nach RCT noch nach Jahren neu auftreten können. Er nannte beispielsweise Xerostomie, Osteoradionekrosen, neurokognitive Defizite und Schlaganfälle, die möglicherweise sogar besonders häufig bei Patienten mit HPV-positiven Kopf-Hals-Tumoren auftreten.2 Zudem gab Professor Dr. Georg Maschmeyer von der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin des Ernst von Bergmann Klinikums in Potsdam zu bedenken, dass gerade die jüngeren Patienten mit HPV-positiven Oropharynxkarzinomen nicht selten stark rauchen und Alkohol konsumieren – ob diese Patienten wirklich eine günstige Prognose haben, sei dahingestellt. Langzeit-Gesamtüberlebensdaten bei Deeskalation fehlen noch.
In den letzten Jahren war fast immer die Chirurgie Gegenstand der Deeskalationsdebatte. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht“, betonte Prof. Lang und verwies auf die Erfolge der transoralen, teils roboterassistierten chirurgischen Therapie. Die TopROC-Studie vergleicht derzeit prospektiv und randomisiert die RCT mit einer risikoadaptierten Therapie mit transoraler Chirurgie und Radio(chemo)therapie bei Patienten mit Plattenepithelkarzinomen des Oropharynx unabhängig vom HPV-Status.
Die Debatte um eine Deintensivierung der Therapie sollte nach Prof. Langs Meinung eher die adjuvante Therapie in Angriff nehmen. Optionen zur Deeskalation der Strahlenchemotherapie bei HPV-positiven Oropharynx-Tumoren sieht auch Prof. Kuhnt, beispielsweise durch eine Verminderung der Cisplatindosis, den Ersatz von Cisplatin durch eine andere Chemotherapie oder die Reduktion der Strahlendosis. Die optimale Strategie ist derzeit noch nicht klar – es müssen die Ergebnisse der laufenden Studien abgewartet werden.
Verzicht auf Chemo auch keine Lösung
Quellen:
1. Monnier Y und Simon C. Curr Treat Options Oncol 2015; 16(9): 42
2. Addison D et al. J Am Heart Assoc 2017; 6(9): e006453
3. Cheraghlou S et al. Cancer 2018; 124(4): 717-726
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