Individualisierte Therapie nach Koronarintervention

Dr. Elke Ruchalla

In der frühen Phase der koronaren Ballondilatation und Stentimplantation war es häufig zu thrombotisch bedingten Verschlüssen gekommen. In der frühen Phase der koronaren Ballondilatation und Stentimplantation war es häufig zu thrombotisch bedingten Verschlüssen gekommen. © iStock/Jan-Otto

Die Einführung der doppelten Thrombozytenhemmung nach akutem Koronarsyndrom oder perkutaner Koronar­intervention hat die kardiologische Therapie vor gut 20 Jahren revolutioniert. Mittlerweile existieren allerdings so viele Schemata, dass man schnell den Überblick verlieren kann.

In der frühen Phase der koronaren Ballondilatation und Stentimplantation war es häufig zu thrombotisch bedingten Verschlüssen gekommen. Die Behandlung mit ASS plus P2Y12-Hemmer senkte die Inzidenz gefürchteter Stentthrombosen dann deutlich. Wenig überraschend traten unter diesem Vorgehen allerdings auch mehr Blutungen auf – je nach verwendeten Medikamenten und individuellem Risiko des Kranken, schreibt Prof. Dr. ­Harald ­Darius von der Klinik für Kardiologie, Angiologie, Nephrologie und konservative Intensivmedizin am Vivantes Klinikum Neukölln in Berlin. Neuartige Stents (beschichtete, medikamentefreisetzende Stents vs. reine Metall­stents), verbesserte Implantationstechniken und -zugänge (A. radialis statt A. femoralis) und moderne Bildgebungsverfahren haben die Eingriffe inzwischen sicherer gemacht.

Studienergebnisse lassen sich oft schwer vergleichen

Dennoch bleibt die Frage: Wie lange verordnet man welche Medikamente in welchen Kombinationen? Studien dazu gibt es jede Menge, aber nicht immer stimmen die Ergebnisse überein, und oftmals haben die Verantwortlichen so unterschiedliche Patientengruppen aufgenommen, dass sich die Ergebnisse kaum vergleichen und verallgemeinern lassen.

 

Duale Thrombozytenaggregationshemmung nach PCI bzw. ACS

MaßnahmeStandardhohes Ischämierisikohohes Blutungsrisiko
elektive PCI bei chronischem KoronarsyndromASS plus Clopidogrel über
drei Monate
ASS plus Ticagrelor oder Prasugrel über bis zu zwölf MonateASS plus Clopidogrel über einen Monat
Notfallmäßige PCI bei ACSASS plus Ticagrelor über drei Monate, dann Ticagrelor mono über die Monate vier bis zwölf

bei hohem koronarem Risiko: ASS plus Ticagrelor ab Monat vier;

bei multiregionaler Atherosklerose: ASS plus Rivaroxaban

ASS plus Clopidogrel
Konservatives Vorgehen bei ACSASS plus Ticagrelor über drei Monate, dann Ticagrelor mono über die Monate vier bis zwölfASS plus Rivaroxaban ab dem zwölften MonatASS plus Clopidogrel

PCI: perkutane Koronarintervention; ACS: akutes Koronarsyndrom

Vor allem die Dauer, über die ein Kranker nach perkutaner Koronarintervention und akutem Koronarsyndrom zwei Thrombozytenhemmer (ASS plus P2Y12-Hemmer) schlucken muss, hat sich in den letzten Monaten und Jahren immer wieder geändert, schreibt der Berliner Fachmann. Waren anfangs zwölf Monate Standard, so orientieren sich die Empfehlungen heute an den individuellen Patientenrisiken. Es wird versucht, ein Gleichgewicht zwischen dem Risiko für erneute ischämische Ereignisse einerseits und der Blutungsgefahr andererseits zu finden. Faktoren, die das Risiko für Stentthrombosen beeinflussen, sind unter anderem:
  • koronaranatomische Situation (z.B. singuläre Stenose in der Peripherie vs. schwere 3-Gefäß-KHK)
  • eingeschränkte linksventrikuläre Ejektionsfraktion
  • klinische Bedingungen während des Eingriffs (z.B. Patient stabil vs. Patient im kardiogenen Schock)
  • Stentthrombosenanamnese
Auch Art und Implantationsbedingungen der Gefäßstützen beeinflussen künftige Ischämien. Zu den Bedingungen zählen Anzahl und Länge der Implantate, eventuelle Überlappungen und invasive Nachkontrollen (z.B. intravaskulärer Schall) des Ergebnisses. Haben Metallstents noch bei 20–30 % zu einer Stentthrombose geführt, so geschieht das bei den heutigen, medikamentefreisetzenden Stents nur bei weniger als jedem Zwanzigsten. Eine erhöhte Blutungsgefahr wiederum haben Patienten mit:
  •  bestimmten Komorbiditäten (z.B. Hämophilie) oder Begleittherapien, die Blutungen begünstigen (z.B. NSAR, Steroide)
  • behandlungsbedürftiger Blutung weniger als zwölf Monate vor dem jetzigen Eingriff
  • früherer stationär behandelter Blutung jedweder Art mit nicht endgültig behandelter Blutungsquelle
  • Alter ab 75 Jahre
  • Anämie (Hb unter 11 g/dl) oder Bluttransfusion im vorangegangenen Monat
  • Schlaganfall/TIA in den vorangegangenen sechs Monaten
Tendenziell geht der Trend hin zu immer kürzer dauernden Behandlunglen mit verschiedenen Kombinationen, gefolgt von Monotherapien. Insgesamt empfiehlt Prof. Darius derzeit das in der Tabelle dargestellte Vorgehen.

Quelle: Darius H. Internist 2021; 62: 1243-1252; DOI: 10.1007/s00108-021-01189-5

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In der frühen Phase der koronaren Ballondilatation und Stentimplantation war es häufig zu thrombotisch bedingten Verschlüssen gekommen. In der frühen Phase der koronaren Ballondilatation und Stentimplantation war es häufig zu thrombotisch bedingten Verschlüssen gekommen. © iStock/Jan-Otto