Sicherheit nach der Koronarintervention

Dr. Dorothea Ranft

Nach der Implantation eines modernen medikamentenfreisetzenden Stents (hier im vorderen, absteigenden Ast der linken Koronararterie) kann die Dauer der dualen Plättchenhemmung deutlich verkürzt werden. Nach der Implantation eines modernen medikamentenfreisetzenden Stents (hier im vorderen, absteigenden Ast der linken Koronararterie) kann die Dauer der dualen Plättchenhemmung deutlich verkürzt werden. © Ploypilin – stock.adobe.com

Nach der perkutanen Koronarintervention gibt es ein Dilemma: Die duale Plättchenhemmung ist mit einem erhöhten Blutungsrisiko verbunden – insbesondere Senioren sind gefährdet. Eine Umstellung der Medikation kann helfen.

Um die Hämorrhagiegefahr zu senken, die unter einer zweifachen Thrombozytenaggregationshemmung nach perkutaner Koronarintervention (PCI) besteht, wurden bereits diverse Strategien getestet. Eine davon ist das vorzeitige Absetzen des P2Y12-Hemmers mit nachfolgender ASS-Monotherapie. Drei Studien zufolge ergeben sich durch eine frühe Deeskalation keine Nachteile. Allerdings fiel in einer anderen Arbeit unter einer sechsmonatigen versus einjährigen dualen Plättcheninhibition (DAPT) eine erhöhte Infarktrate auf. Unterschiedlich waren die Ergebnisse zum Einfluss auf das Blutungsrisiko: In einer Analyse ermittelte man bei Patienten > 75 Jahre keine Blutungsreduktion, dagegen zeigten sich in einer Metaanalyse im Trend weniger Blutungen, so Prof. Dr. ­Mila ­Kovacevic von der Universität Novi Sad und Koautoren ihrer Studienübersicht.

Eine alternative Deeskalationsmöglichkeit bietet das Absetzen der Acetylsalicylsäure bei fortgeführter P2Y12-Inhibition. In einer Subgruppenanalyse der TWILIGHT-Studie mit mehr als 3.000 Patienten ≥ 65 Jahren verringerte eine Monotherapie mit Ticagrelor die Inzidenz klinisch relevanter Hämorrhagien im Vergleich zur DAPT. Gesamtmortalität, Infarkt- und Schlaganfallrate erhöhten sich nicht. Eine andere Untersuchung kommt für Clopidogrel zu dem Ergebnis, dass eine Verkürzung der dualen Plättchenhemmung zwar schwere Blutungen verhindert, aber um den Preis vermehrter Infarkte.

Eine dritte Möglichkeit zur Deeskalation ist beim akuten Koronarsyndrom (ACS) der Wechsel zu einem weniger potenten P2Y12-Hemmer innerhalb der dualen Therapie. Dafür spricht, dass das Ischämierisiko im ersten Monat nach der PCI am höchsten ist und danach exponentiell abfällt. Die Blutungsgefahr hingegen bleibt konstant. In der TOPIC-Studie erfolgte der Wechsel von Prasugrel oder Ticagrelor zu Clopidogrel nach einem Monat DAPT. Primärer Endpunkt waren diverse Gefäß­ereignisse, die unter dem schwächeren P2Y12-Hemmer seltener auftraten, begründet mit einer verringerten Hämorrhagierate.

Deeskalation anhand des Plättchenfunktionstests

Auch ein Wechsel von Prasugrel zu Clopidogrel in Abhängigkeit vom Plättchenfunktionstest (PFT) kann sinnvoll sei, wie die TROPICAL-ACS-Studie ergab. Deren Teilnehmer wurden auf Prasugrel oder Clopidogrel randomisiert, wobei nur die Personen mit ausreichender Plättcheninhibierung im Clopidogrel-Arm verblieben. Die Auswertung ergab keine Differenz hinsichtlich Ischämien und Blutungen. Somit könnte die PFT-gesteuerte Deeskalation für ältere Patienten eine gute Alternative darstellen, falls eine zwölfmonatige potente DAPT nicht infrage kommt.

Ein anderer Ansatz ist die Dosisreduktion des stark wirksamen P2Y12-Hemmers. In einer randomisierten Studie bekamen ACS-Patienten mit Standard-DAPT einen Monat nach der PCI entweder 5 oder 10 mg Prasugrel. Untersucht wurde der Einfluss auf Gesamtmortalität, Infarkt- und Schlaganfallrate, erneute Revaskularisation und relevante Blutungen ein Jahr nach der PCI. Dieser primäre Endpunkt wurde in der Niedrigdosisgruppe signifikant seltener erreicht (7,2 % vs. 10,1 %). Das war maßgeblich beeinflusst durch die Reduktion der Hämorrhagien.

Eine weitere Möglichkeit zur Deeskalation setzt bei den Stents an: Moderne medikamentenfreisetzende Modelle (Drug-eluting-Stents; DES) erlauben eine deutliche Verkürzung der DAPT und werden deshalb inzwischen auch für ältere Patienten präferiert. Ihre Vorteile gegenüber Metallstents konnten diverse Untersuchungen zeigen. Eine davon ist die ­SE­NIOR-Studie mit Patienten ≥ 75 Jahre, die nach der Implantation eines resorbierbaren Polymer-DES einen Monat (bei Patienten mit chronischem Koronarsyndrom; CCS) oder ein halbes Jahr (Patienten mit ACS) dual behandelt wurden. Gesamtmortalität, Infarktrate und erneute Revaskularisationen des Zielgefäßes waren verringert mit DES verglichen mit Metallstents (Risk Ratio 0,71) ohne vermehrte Hämorrhagien. Eine andere Arbeit ermittelte für ein oder drei Monate der dualen Plättchenhemmung sogar eine deutliche Reduktion schwerer Blutungen.

Blutungsrisiko entscheidet über Medikationsstrategie

Für die Praxis empfehlen die Autoren folgendes Vorgehen: Patienten ≥ 75 Jahre sollten nach PCI und Implantation eines DES eine plättchenhemmende Therapie in Abhängigkeit von der Art der Störung erhalten. Beim ACS erfolgt primär eine DAPT mit ASS plus Ticagrelor oder Prasugrel. Wenn das Ischämierisiko die Blutungsgefahr überwiegt, erhält der Patient ein Jahr lang diese Zweierkombination.

Bei der umgekehrten Konstellation – einer dominanten Neigung zu Hämorrhagien – wechseln die Kollegen nach einem Monat DAPT zunächst zu dem schwächeren P2Y12-Hemmer Clopidogrel. Sechs Monate nach der PCI erfolgt die Umstellung auf eine Monotherapie mit einem P2Y12-Antagonisten.
Wenn sich Blutungs- und Isch­ämierisiko im Gleichgewicht befinden, wird in den ersten sechs Monaten ASS plus Ticagrelor oder Prasugrel eingesetzt. Danach gibt man für ein weiteres halbes Jahr nur noch einen P2Y12-Inhibitor oder ASS.

Patienten mit CCS erhalten als ers­tes ASS plus Clopidogrel. Bei vorrangiger Blutungsgefahr wird die DAPT nach vier Wochen beendet, es folgen elf Monate Monotherapie mit einem P2Y12-Hemmer oder Acetylsalicylsäure. Wenn beim CCS die Ischämiegefahr überwiegt, wird die DAPT nach sechs Monaten gestoppt, es folgt ein halbes Jahr alleinige ASS-Einnahme.

Quelle: Kovacevic M et al. Platelets 2023; DOI: 10.1080/09537104.2023.2285446

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