
Stabile Angina pectoris eher ohne Koronarintervention behandeln

Knapp 40 000 Bypass-Operationen und mehr als 300 000 perkutane Koronarinterventionen (PCI) werden in Deutschland alljährlich durchgeführt, so die Daten von 2016. Ob all diese Eingriffe gerechtfertigt sind oder eine rein medikamentöse Therapie zu ähnlichen Ergebnissen führen würde, ist umstritten.
Nach der klassischen Vorstellung von der koronaren Herzkrankheit (KHK) verhindert eine epikardiale Stenose vor allem unter Belastung eine adäquate Zunahme des koronaren Blutflusses und führt so zur Angina pectoris. Demnach müssten revaskularisierende Eingriffe (PCI, Bypass) ein erneutes Auftreten der Schmerzen verhindern. Doch ganz so einfach ist es nicht: Viele Patienten leiden auch nach der PCI oder ganz ohne epikardiale Stenose an Angina pectoris.
Dabei werden zwei Gruppen unterschieden: Die einen haben eine reine Ruhe-Angina, in der Regel ausgelöst durch Koronarspasmen. Die anderen haben vorwiegend Belastungsschmerzen aufgrund einer mikrovaskulären Fehlfunktion. Letztere geht mit typischen KHK-Risikofaktoren einher wie Hyperlipidämie, Hypertonie und Diabetes.
Den Patienten sagen, dass sich die Prognose nicht bessert
Beide Phänomene treten auch gemeinsam auf. Das erklärt, warum viele Patienten trotz erfolgreicher PCI weiterhin unter Angina pectoris leiden, schreiben Professor Dr. Udo Sechtem und Privatdozent Dr. Peter Ong vom Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart. Ein besonderes Problem stellen Patienten mit diffuser KHK und Angina dar, die sich häufig ohne eindeutigen Ischämie-Nachweis einer PCI unterziehen. Sie haben oft koronare Funktionsstörungen, die nicht mit einem Stent heilbar sind.
Grundsätzlich gilt für Patienten mit stabiler KHK: Im Vergleich zur rein medikamentösen Therapie lässt sich mit Koronardilatation und Bypass in der Regel kein prognostischer Gewinn erzielen. Außer Frage steht allerdings für beide Formen der Revaskularisation, dass sie die Symptome wirksamer lindern als eine konservative Behandlung.
In einer aktuellen Studie litten sechs Wochen nach einer PCI noch 50 % der Patienten an Angina pectoris. Nach einer „Scheindilatation“ waren es knapp 70 %. Die Belastbarkeit verlängerte sich mit PCI um 28,4 vs. 11,8 Sekunden (Placebo). Diese Ergebnisse legen nahe, dass ein Placeboeffekt die Belastbarkeit steigert oder sich die stabile KHK auch bessert, wenn man nur einige Wochen wartet. Die Autoren empfehlen deshalb eine gewisse Zurückhaltung im Aufklärungsgespräch. Der Arzt sollte dem Patienten klar sagen, dass sich die Prognose nicht bessert.
Die antianginöse Arzneimittelbehandlung der stabilen KHK beruht in erster Linie auf der Gabe kurzfristig wirksamer Nitrate. Zusätzlich erhält der Patient einen Betablocker oder herzfrequenzsenkenden Kalziumantagonisten (Diltiazem, Verapamil). Patienten, die diese Wirkstoffe nicht vertragen oder andere Kontraindikationen aufweisen, sollten initial einen Dihydropyridin-Kalziumantagonisten (z.B. Amlodipin) bekommen.
Falls bei leichter Belastung immer noch Symptome auftreten, ist eine Kombination von Betablocker und Dihydropyridin-Kalziumantagonist indiziert. Führt auch das nicht zum Erfolg, können Medikamente der zweiten Wahl wie Ivabradin, lang wirksame Nitrate und Ranolazin hinzugegeben werden oder die bisherige Therapie ersetzen. Bei Bedarf dürfen auch mehrere Substanzen kombiniert werden.
Mit und ohne Revaskularisation müssen Patienten mit stabiler Angina pectoris eine Therapie erhalten, die die Prognose verbessert, betonen die Stuttgarter Kardiologen. Eine wichtige Rolle spielen dabei Änderungen des Lebensstils und die nicht-medikamentöse Kontrolle der Risikofaktoren. Voraussetzung für den Erfolg ist eine gründliche Schulung. Zusätzlich sollten die Patienten Medikamente bekommen, die die Progression der KHK verlangsamen und thrombotische Ereignisse verhindern.
Eingriff nur, wenn Arzneien die Beschwerden nicht lindern
Eingesetzt werden vor allem ASS (bei Intoleranz auch Clopidogrel) und Statine. Bei bestimmten Risikokonstellationen (zum Beispiel Hypertonie, Herzinsuffizienz) sollte man auch die Gabe von ACE-Hemmern und AT1-Antagonisten in Betracht ziehen.
Die Revaskularisation hat ihre Berechtigung bei Patienten mit stabiler KHK, wenn deren Symptome auch unter einer optimalen medikamentösen Therapie fortschreiten oder wenn sie auf die Behandlung nicht ansprechen. Ein besonders hoher Stellenwert kommt der frühen Revaskularisation bei ausgedehnten ischämischen Arealen oder proximalen Stenosen in großen Koronargefäßen zu, betonen die Stuttgarter Kardiologen. Selbstverständlich muss die interventionelle Behandlung von einer optimalen medikamentösen Therapie begleitet werden.
Quelle: Sechtem U, Ong P. Klinikarzt 2018; 47: 526-532
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).