Intrakranielle Hypertension bei vorübergehenden Sehstörungen und Kopfschmerzen abklären

Dr. Dorothea Ranft

Die Augenspiegelung darf bei der Untersuchung nicht fehlen. Die Augenspiegelung darf bei der Untersuchung nicht fehlen. © augeninfo.de/Prof. Dr. H. Busse

Der schleichende Symptombeginn macht den erhöhten Hirndruck besonders tückisch. Wird z.B. ein unklarer Kopfschmerz als banal abgetan, kann der Betroffene erblinden oder sogar sterben. Hegen Sie anhand begleitender Symptome einen entsprechenden Verdacht, heißt es zügig in die Klinik schicken!

Unabhängig von der Ursache des erhöhten Hirndrucks (ICP, raised intracranial pressure, s. Kasten) präsentiert sich das Erkrankungsbild immer ähnlich. Leider sind die dominierenden Symptome eher unspezifisch, so auch der Kopfschmerz. Über eine Zunahme morgens beim Aufstehen klagt nur etwa ein Drittel der Betroffenen, schreiben Dr. Susan P. Mollan, Neuroophthalmologin an der Universitätsklinik Birmingham, und ihre Kollegen.

Mögliche Ursachen

  • angeboren (Hydrocephalus)
  • iatrogen (Medikamente und Postneurochirurgie)
  • idiopathisch intrakranielle Hypertension
  • infektiös (Abszesse, Meningitis, Enzephalitis)
  • Trauma
  • Tumor
  • vaskulär (Aneurysma, Blutung, Sinusvenenthrombose etc.)

Meist verschlimmert sich die Cephalgie eher langsam über Wochen. Aber auch eine rasche Progression innerhalb von Stunden bis Tagen ist möglich. Die Symptome können eine chronische Migräne sowie Spannungskopfschmerzen imitieren. Auch eine pulsierende Komponente ist möglich, die sich z.B. bei Husten oder körperlicher Anstrengung verstärkt. Allgemein können jeder neuartige Kopfschmerz und jede wesentliche Veränderung gegenüber dem bekannten Muster für eine sekundäre Genese sprechen, die ärztliches Eingreifen verlangt.

„Grauschleier“ dauert weniger als eine Minute

Begleitend sieht man auch visuelle Störungen wie Doppelbilder oder verschwommene Sicht. Manche Hirndruck-Patienten klagen über einen vorübergehenden Verlust des Sehvermögens und/oder einen „Grauschleier“, transiente visuelle Verdunklung genannt. Derartige Einschränkungen dauern oft weniger als eine Minute und können mit steigendem Hirndruck häufiger auftreten. Oft kommt es bei einer Veränderung der Körperhaltung zu den Beschwerden. Während das Gesichtsfeld von Anfang an beeinträchtigt ist, bleibt die Sehschärfe üblicherweise erhalten (anders in der Kasuistik, s. Kasten).

Fast blind vom Überdruck

Ein typisches Beispiel für Hirndruckfolgen bietet eine 24-jährige Patientin, deren Ohnmacht zunächst als Panikattacke missgedeutet wurde. Zwei Tage später erschien sie erneut in der Notaufnahme, diesmal wegen zunehmender Kopfschmerzen und Sehstörungen. Das CT war zunächst normal, am 7. Tag ergab die Lumbalpunktion einen erhöhten Liquordruck. Am 8. Tag zeigte sich in der Ophthalmoskopie ein Papillenödem. Außerdem litt die junge Frau an einem bilateralen Gesichtsfeldausfall und einem deutlichen Visusverlust. Erst jetzt wurde eine fulminante idiopathische intrakranielle Hypertension diagnostiziert. Daraufhin erhielt die Patientin einen Shunt, mit dem sich ihr Visus innerhalb von zwei Wochen wieder verbesserte.

Betroffene sprechen pulssynchronen Tinnitus nicht von selbst an

Zahlreiche andere Beschwerden können im Rahmen eines erhöhten intrakraniellen Drucks auftreten. Gezielt erfragen sollte man einen pulssynchronen Tinnitus, denn darüber sprechen die meisten Betroffenen nicht von selbst. Dabei handelt es sich um ein rhythmisches, rauschendes Ohrgeräusch, das ein- oder beidseitig synchron mit dem eigenen Herzschlag gehört wird. Ausgelöst wird es möglicherweise durch verstärkte Pulsationen im Rahmen des erhöhten Hirndrucks. Als weitere potenzielle Symptome nennen die Kollegen z.B. Nacken- und Rückenschmerzen, Lethargie, Verhaltensänderungen und Bewegungsstörungen. Auch kann es zu Erbrechen, Bewusstseinseinschränkungen und Krampfanfällen kommen.

Kunstfehlerklagen wegen übersehener Stauungspapille

Bei der körperlichen Untersuchung sollte auf jeden Fall der Blutdruck gemessen werden, um eine maligne Hypertension als seltene, aber behandelbare Ursache des erhöhten Hirndrucks auszuschließen. Außerdem ist eine vollständige neurologische Untersuchung angezeigt. Dazu zählen die Kontrolle der Hirnnerven ebenso wie die Überprüfung der sensorischen und motorischen Funktion von Armen und Beinen sowie der Reflexe. Auf keinen Fall unterbleiben darf die Augenspiegelung. Schließlich will man wissen, ob der Patient eine Stauungspapille hat. Selbstverständlich darf diese Diagnostik einem erfahreneren Kollegen überlassen werden. Ein übersehenes Papillenödem hat bereits zu Kunstfehlerklagen – je nach Verlauf bis zum Vorwurf der fahrlässigen Tötung – geführt, so die Erfahrung der britischen Autoren. Wenn ein Patient eine Stauungspapille ohne Hinweis auf eine maligne Hypertonie hat, sollte er noch am selben Tag eine Bildgebung von Kopf und Augenhöhlen erhalten. Anhand der Venendarstellung lässt sich eine Sinusthrombose ausschließen. Nach dem Ausschluss struktureller intrakranieller Läsionen erfolgt die Lumbalpunktion, um den Eröffnungsdruck zu messen und Material für die Liquordiagnostik zu gewinnen (Infektion, Inflammation, Tumor?). Als besonders gefährdet gelten Patienten mit Sehverschlechterung. Sie benötigen eine strenge Überwachung und ggf. auch Operation, um eine Erblindung zu vermeiden.

Quelle: Mollan SP et al. BMJ 2018; 363: k3252

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Die Augenspiegelung darf bei der Untersuchung nicht fehlen. Die Augenspiegelung darf bei der Untersuchung nicht fehlen. © augeninfo.de/Prof. Dr. H. Busse
Eine Stauungspapille ohne maligne Hypertonie sollte eine zügige Bildgebung nach sich ziehen. Eine Stauungspapille ohne maligne Hypertonie sollte eine zügige Bildgebung nach sich ziehen. © augeninfo.de/Prof. Dr. H. Busse