Jung und dick mit Kopfschmerz und Sehstörungen – Hinweis auf eine idiopathische intrakranielle Hypertension?

Friederike Klein

Mittels Ultraschall ließ sich bei der 37-jährigen Patientin beidseits eine erweiterte 
Optikusscheide nachweisen. Sie litt seit zwei Monaten intermittierend unter schweren Kopfschmerzen im Frontalbereich, Visusverschlechterung, Photophobie, Übelkeit und Erbrechen. Mittels Ultraschall ließ sich bei der 37-jährigen Patientin beidseits eine erweiterte Optikusscheide nachweisen. Sie litt seit zwei Monaten intermittierend unter schweren Kopfschmerzen im Frontalbereich, Visusverschlechterung, Photophobie, Übelkeit und Erbrechen. © wikimedia commons/Ben Smith/www.ultrasoundoftheweek.com

Der Pseudotumor cerebri oder richtiger, die idiopathische intrakranielle Hypertension (IIH), ist bei Frauen im gebärfähigen Alter mit überflüssigen Pfunden nicht so selten. Weil die Ursachen unklar sind, gibt es bislang keine kausale Therapie. In einer ganzen Reihe von Studien werden aber neue Ansätze geprüft, um das zu ändern.

Die intrakranielle Hypertension ist mit einer Inzidenz von 12 bis 20 pro 100 000 bei Frauen im gebärfähigen Alter eine relativ häufige Ursache von Kopfschmerzen und Sehstörungen, betonte Professor Dr. Andreas Harloff, Klinik für Neurologie und Neurophysiologie am Universitätsklinikum Freiburg.

Als Ursachen diskutiert werden:

  • hormonelle Faktoren – Männer erkranken zehnmal seltener,
  • metabolische Faktoren – die Betroffenen sind meist adipös,
  • Überproduktion oder Resorptionsstörung des Liquors,
  • Abflussstörung durch eine Stenose der Hirnsinus.

Was die Versorgung der betroffenen Patienten angeht, sieht der Kollege erheblichen Verbesserungsbedarf. So wäre ein nicht-invasives Therapiemonitoring wichtig. Prof. Harloff erlebt manche Patienten als regelrecht traumatisiert, weil sie in wenigen Wochen sieben oder acht Liquorpunktionen durchgemacht haben.

Definition der idiopathischen intrakraniellen Hypertension

  • Symptome eines erhöhten Liquordrucks, in der Regel mit Stauungspapille
  • erhöhter Liquordruck in Seitenlage >25 cm H2O (wiederholte Messung empfohlen, um falsch-positive Ergebnisse auszuschließen)
  • normaler biochemischer und zellulärer Liquorbefund
  • normaler MRT-Befund (Ausschluss einer strukturellen oder vaskulären Ursache wie Raumforderung oder Sinusvenenthrombose)
  • keine relevanten Medikamente (z.B. Tetrazykline), keine endokrinen oder metabolischen Ursachen außer Adipositas

Wiederholte Liquorentlastungspunktionen sind in der Anfangsphase eine gängige Therapie. Als essenziell bezeichnete Prof. Harloff die konsequente Gewichtsreduktion, die aber die wenigsten Patienten schaffen, obwohl dies ein maßgeblicher Faktor ist, um den Liquordruck zu senken. Zur medikamentösen Unterstützung der erforderlichen salzarmen Diät wird die Therapie mit Acetazolamid in einer Dosis bis zu 2 g/d empfohlen. In Studien haben Patienten auch bis zu 4 g/d toleriert. In der IIHTT-Studie verglich man Acetazolamid bis zu 4 g/d zusätzlich zu Gewichtsreduktion und salzarmer Diät mit alleiniger salzarmer Kost. Teilnehmer waren Patienten mit IIH und Visusminderung. Die Wirkstoffgabe ging mit einer Besserung von Stauungspapille, intrakraniellem Druck und Lebensqualität der Betroffenen einher.1 Topiramat und Furosemid sind nach Aussage von Prof. Harloff in Kombination mit Gewichtsreduktion ähnlich wirksam, aber nicht für diese Indikation zugelassen. Derzeit untersucht man einige neuere Therapieansätze:
  • Die Hemmung der 11-beta-Hydroxysteroid-Dehydrogenase Typ 1 wird derzeit in einer Phase-2-Studie geprüft. Das intrazelluläre Enzym wandelt u.a. im Plexus choroideus inaktives Kortison in aktives Kortisol um. Die Inhibition soll die Liquorproduktion reduzieren und den osmotischen Wassereinstrom ins Gehirngewebe verringern. Ergebnisse werden Anfang des kommenden Jahres erwartet.

  • Glucagon-like Peptide 1 (GLP-1) wird auch im Gehirn produziert und vermittelt Sättigungsgefühl und Gewichtsabnahme. Der GLP1-Rezeptoragonist Liraglutid ist bereits zur Therapie der Adipositas zugelassen. Als für die Wirkstoffklasse belegt gilt auch eine leichte Verringerung der Liquorsekretion. Eine prospektive, placebokontrollierte Studie mit dem GLP1-Rezeptoragonisten Exenatid zur Therapie der IIH läuft, die Rekrutierung ist abgeschlossen.

  • Gleich drei Studien laufen in den USA zum Stenteinsatz bei Sinusstenose, allerdings jede mit nur wenigen Patienten und ohne Kontrollgruppe.

  • Eine randomisiert-kontrollierte Studie in Birmingham will die laparoskopische bariatrische Chirurgie mit einer salzarmen Diät vergleichen. Diesen Ansatz hält Prof. Harloff wegen der damit erreichbaren Gewichtsreduktion für besonders vielversprechend, zumal diese Eingriffe weniger invasiv sein dürften als die Anlage eines ventriculo-peritonealen Shunts.

  • Die Open-Up-Studie soll in den USA die Stenteinlage mit der Shuntanlage vergleichen, rekrutiert aber bislang noch nicht.

  • Die Phase-3-Studie Sight wird gleich drei Therapiestrategien vergleichen: die konservative Therapie mit Acetazolamid und salzarmer Diät, dieselbe konservative Therapie ergänzt um die Optikusscheidenfensterung zur Entlastung des Nervus opticus und die Shuntanlage.
Prof. Harloff empfiehlt eine konservative Therapie über maximal sechs Monate. Zeigt sich darunter kein zufriedenstellender Effekt oder gar ein Progress, z.B. eine weitere Visusminderung, sollte interdisziplinär und individuell über die Möglichkeiten der Therapieeskalation (Optikusscheidenfensterung, Stent, Shunt) entschieden werden. Bei eingetretener Besserung nach sechs Monaten kann erst einmal weiter beobachtet werden.

Quellen:
1 Smith SV, Friedman DI. Headache 2017; 57: 1303-1310; DOI: 10.1111/head.13144
S1-Leitlinie Idiopathische intrakranielle Hypertension (IIH). AWMF-Registernummer: 030/093

Kongressbericht: 92. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie

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Mittels Ultraschall ließ sich bei der 37-jährigen Patientin beidseits eine erweiterte 
Optikusscheide nachweisen. Sie litt seit zwei Monaten intermittierend unter schweren Kopfschmerzen im Frontalbereich, Visusverschlechterung, Photophobie, Übelkeit und Erbrechen. Mittels Ultraschall ließ sich bei der 37-jährigen Patientin beidseits eine erweiterte Optikusscheide nachweisen. Sie litt seit zwei Monaten intermittierend unter schweren Kopfschmerzen im Frontalbereich, Visusverschlechterung, Photophobie, Übelkeit und Erbrechen. © wikimedia commons/Ben Smith/www.ultrasoundoftheweek.com