Keine Psychose – nur Migräne!

Dr. Dorothea Ranft

Das Alice-im-Wunderland-Syndrom bei Migräne geht mit Derealisation, Depersonalisation, Metamorphopsien und Schwebegefühlen einher. (Agenturfoto) Das Alice-im-Wunderland-Syndrom bei Migräne geht mit Derealisation, Depersonalisation, Metamorphopsien und Schwebegefühlen einher. (Agenturfoto) © iStock/AaronAmat

Werden Kopfschmerzattacken bei Kindern von Wahrnehmungsstörungen oder Verhaltensänderungen begleitet, denkt man schnell an eine psychiatrische Störung. Doch hinter solchen Beschwerden kann auch ein periodisches Syndrom stecken.

Ein typisches Beispiel für ein periodisches Syndrom beschreibt die Essener Schmerztherapeutin Dr. Astrid Gendolla. Ihre zwölfjährige Patientin klagte über Schmerzen im gesamten Kopf, die einmal in der Woche auftraten – überwiegend morgens nach dem Erwachen. Sie wurden von Übelkeit, Erbrechen und Lichtempfindlichkeit begleitet und von heftigem Schwindel gefolgt. Auffällig war die verzerrte Umweltwahrnehmung: Das Mädchen sah die Möbel auf einmal in veränderter Größe und Entfernung. Diese Metamorphopsien hielten teilweise mehrere Stunden an, auch unabhängig von der Cephalgie. Neurologische Untersuchung und MRT ergaben keinen pathologischen Befund.

Alice-im-Wunderland-Syndrom geht mit Derealisation einher

Die Autorin diagnostizierte eine Migräne mit Aura, begleitet von einem Alice-im-Wunderland-Syndrom. Letzteres geht mit Derealisation, Depersonalisation, Metamorphopsien und Schwebegefühlen einher. Auch Körperschemastörungen und Veränderungen des Zeitgefühls werden beobachtet. Die Symptomgruppe gehört zum periodischen Syndrom der Kindheit und gilt als Vorläufer der klassischen Migräne bzw. als Migräneäquivalent.

Die Symptome des Alice-im-Wunderland-Syndroms bilden sich meist während der Pubertät zurück. Betroffene Kinder fallen manchmal dadurch auf, dass sie sich zurückziehen oder ungewöhnlich still werden. Viele finden ihre veränderte Wahrnehmung allerdings nicht beängstigend, sondern eher spannend.

Periodische Syndrome

  • zyklisches Erbrechen
  • abdominelle Migräne
  • periodischer Schwindel
  • Tortikollis

Voraussetzung für eine adäquate Kopfschmerztherapie ist die korrekte Einordnung der Beschwerden, was bei den verschiedenen Formen des periodischen Syndroms (s. Kasten) nicht immer leichtfällt. So werden die Zeichen einer abdominellen Migräne oft fälschlich auf eine Appendizitis zurückgeführt und der periodische Schwindel als psychiatrische Störung missverstanden. Gesicherte Daten zur Therapie liegen kaum vor, die Empfehlungen beruhen auf klinischer Erfahrung. Neben der Akuttherapie ist eine wirksame Prophylaxe von Bedeutung, um die Attackenfrequenz zu senken. Für Dr. Gendolla ist Flunarizin das Mittel der ersten Wahl in einer Tagesdosis von 5–10 mg über einen Zeitraum von drei Monaten. Bei zyklischem Erbrechen oder abdomineller Migräne zieht die Schmerztherapeutin Propranolol oder Amitriptylin in Betracht. Einen periodischen Schwindel und einen Tortikollis behandelt sie eher mit Topiramat oder Lamotrigin. Daneben helfen nicht-medikamentöse Maßnahmen wie eine Optimierung der Tagesstruktur und die Vermeidung von Triggerfaktoren. Der wichtigste Baustein der Behandlung ist laut Dr. Gendolla die Aufklärung über die benigne Natur der meist selbstlimitierenden Erkrankung. Eine Schädigung des Gehirns ist nicht zu befürchten. Bei der zwölfjährigen Patientin verminderte die Behandlung mit Flunarizin die Häufigkeit der Attacken um 75 %.

Quelle: Gendolla A. Schmerzmedizin 2021; 37: 66-68; DOI: 10.1007/s00940-021-3196-0

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Das Alice-im-Wunderland-Syndrom bei Migräne geht mit Derealisation, Depersonalisation, Metamorphopsien und Schwebegefühlen einher. (Agenturfoto) Das Alice-im-Wunderland-Syndrom bei Migräne geht mit Derealisation, Depersonalisation, Metamorphopsien und Schwebegefühlen einher. (Agenturfoto) © iStock/AaronAmat