Leberzellkarzinom: ASS schützt vor Folgen einer Virushepatitis

Josef Gulden

Schmerzen lindern, Fieber senken oder die Thrombozytenaggregation hemmen – ASS wird vielfältig eingesetzt. Schmerzen lindern, Fieber senken oder die Thrombozytenaggregation hemmen – ASS wird vielfältig eingesetzt. © iStock/amriphoto

Für niedrig dosierte Acetylsalicylsäure werden verschiedene präventive Effekte diskutiert. Eine erhöhte Gefahr für gastrointestinale Blutungen müssen Patienten mit chronischer Hepatitis B oder C unter dem nicht-steroidalen Antirheumatikum wohl nicht befürchten.

Während der letzten drei Jahrzehnte hat sich die Inzidenz der Leberzirrhose und des hepatozellulären Karzinoms in der westlichen Welt stark erhöht. Die mit Letzterem einhergehende Mortalität nimmt stärker zu als die jeder anderen Tumorerkrankung. Die Daten einer schwedischen Registerstudie deuten nun darauf hin, dass die Einnahme von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (≤ 160 mg ASS) protektiv wirken kann.

Es gibt sowohl experimentelle als auch klinische Hinweise, dass ASS die Progression hepatischer Erkrankungen und die Entwicklung des hepatozellulären Karzinoms beeinflusst (s. Kasten). Bisherigen epidemiologischen Studien fehlten jedoch präzise Daten zu verschiedenen Endpunkten und Informationen über Blutungskomplikationen durch ASS.

Viele Wege führen zum Schutz

In den Ito-Zellen der Leber und in Tumorzellen eines hepatozellulären Karzinoms wird die proinflammatorische Cyclooxygenase 2 (COX 2) überexprimiert. Dies löst eine Kaskade mit profibrotischer und proliferativer Wirkung aus. Der Signalweg umfasst u.a. die Proteinkinase 3, mTOR (mechanistic target of Rapamycin) und NF-κB (nuclear factor kappa-light-chain-enhancer of activated B-cells), die Acetylsalicylsäure inhibiert. Weiterhin hemmt das Schmerzmittel proinflammatorische Lipide wie Sphingosin-1-Phosphat und fördert die Biosynthese von Lipidmediatoren. Zudem inhibiert es indirekt die Aktivierung und Degranulation von Thrombozyten.

Forscher um die Hepatologin Dr. Tracey G. Simon, Massachusetts General Hospital, Boston, nutzten das landesweite schwedische Krankheitsregister, das ab 1967 alle Hepatitis-B- und ab 1990 alle Hepatitis-C-Diagnosen beinhaltet. Zwischen 2005 und 2015 zählte es etwa 50 200 Patienten ohne und ca. 14 200 Erkrankte mit niedrig dosierter ASS-Behandlung (mindestens drei Monate). Die Wissenschaftler matchten die Patienten beider Gruppen als Ersatz für die fehlende Randomisierung.

ASS wirkt besser bei langfristiger Einnahme

Nach der medianen Nachbeobachtungszeit von 7,9 Jahren halbierte sich das kumulative Risiko für ein hepatozelluläres Karzinom bei den ASS-Patienten gegenüber den anderen (4,0 % vs. 8,3 %; HR, 0,69; 95%-KI 0,62–0,76). Der protektive Effekt nahm mit der Dauer der Einnahme zu. Gegenüber einer ASS-Behandlung zwischen 3–12 Monaten war das Risiko bei einer Einnahme
  • von 1–3 Jahren um 10 % vermindert (HR 0,90; 95%-KI 0,76–1,06),
  • von 3–5 Jahren um 34 % vermindert (HR 0,66; 95%-KI 0,56–0,78) und
  • bei mehr als fünf Jahren um 43 % reduziert (HR 0,575; 95%-KI 0,42–0,70).
Die Mortalitätsrate aufgrund von Lebererkrankungen betrug nach zehn Jahren in der ASS-Gruppe 11,0 % und in der Kontrolle 17,9 % (HR 0,73; 95%-KI 0,67–0,81). Ebenfalls positiv: Das Zehn-Jahres-Risiko für gastrointestinale Blutungskomplikationen fiel unter dem Medikament nicht relevant höher aus (7,8 % vs. 6,9 %). Eine inkonsequente Einnahme ging im Vergleich zu einer konsequenten mit einer etwas erhöhten Karzinominzidenz einher (5,9 % vs. 1,1 %). Brachen die Patienten die ASS-Therapie sogar ab, stieg die Wahrscheinlichkeit für ein hepatozelluläres Karzinom um 22 % und die für leberassoziierte Mortalität um 31 % im Vergleich zu den „treuen“ Nutzern. Auch dieser Effekt war zeitabhängig, so die Autoren.

Lebensstilfaktoren wurden nicht berücksichtigt

Sie vermuten, dass ASS für eine breite Masse der Patienten infrage kommt. Denn als sie die Gruppen in Frauen/Männer, Hepatitisursachen sowie Art der Zirrhosekompensation teilten, beeinflusste das die Ergebnisse keinesfalls. Die Forscher geben jedoch zu bedenken, dass ihre Kohorte primär hellhäutige Schweden umfasste und dass keine Informationen bezüglich ihres Lebensstils sowie weiterer Details zu ihrer Hepatitis-B- bzw. -C-Erkrankung (z.B. Fibrosestadium) vorlagen. 

Quelle: Simon TG et al. N Engl J Med 2020; 382: 1018-1028; DOI: 10.1056/NEJMoa1912035

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