Lungentransplantation: Expertenmeinungen bestimmen das Vorgehen

Dr. Elke Ruchalla

Welcher Patient im Einzelfall für das Organ infrage kommt, ist umstritten. Welcher Patient im Einzelfall für das Organ infrage kommt, ist umstritten. © iStock.com/AlexLMX

Welcher Patient kommt für den Eingriff infrage? Was ist bei Durchführung und Nachsorge zu beachten? Befragt man zwei Kliniker zum Thema Lungentransplantation erhält man oft drei verschiedene Auskünfte – ein klares „Ich weiß es nicht genau“ wäre dabei häufig die ehrlichste.

Auch wenn sich in den letzten 30 Jahren viel getan hat, gibt es bei Lungentransplantationen immer noch mehr offene Fragen als eindeutig belegte Lösungen, betonen Dr. David­ Abelson­ und Professor Dr. Allan­ Robert­ Glanville­ von der Lung Trans­plant Unit des St. Vincent’s Hospital in Sydney. Bis eine ausreichende Evidenz erreicht ist, bestimmen Expertenmeinung und praktische Erfahrung das Vorgehen.

Lebensqualität geht im Score weitgehend unter

Zunächst müssen die behandelnden Ärzte entscheiden, wen sie auf die Warteliste für eine Lungentransplantation (LTX) aufnehmen. Zwar gibt es eine Reihe absoluter Kontraindikationen, z.B. aktuelles Malignom, aktive Tuberkulose oder Abhängigkeitserkrankungen. Was aber tun bei Patienten ohne solche No-Gos, aber mit multiplen Risikofaktoren für ein Transplantatversagen?

In solchen Fällen soll der Lung Allocation Score (LAS) weiterhelfen (s. Kasten) und die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Transplantation angeben, erklären die Experten. Er weist allerdings zwei wesentliche Einschränkungen auf: Erstens lässt es sich weiterhin nur schwer vorhersagen, welcher Patient sterben und welcher überleben wird. Hierfür reichen Sensitivität und Spezifität der Risikoberechnungen schlichtweg nicht aus.

Lung Allocation Score – Hilfe bei der Vergabe von Spenderlungen

Der LAS bezieht verschiedene Parameter ein, wie z.B.
  • Alter und Gewicht,
  • Diagnose,
  • Leistungsfähigkeit,
  • Begleiterkrankungen,
  • aktuellen Sauerstoffbedarf und aktuelle Atemunterstützung sowie
  • Blutgaswerte.
Jedem Faktor wird ein Punktwert zugeordnet und dann ein Gesamtergebnis berechnet. Interessierte Kollegen können über die Webseite von Eurotransplant auf den LAS-Rechner (in englischer Sprache) zugreifen.

Zweitens berücksichtigt der Score die Lebensqualität nur unzureichend, die Betroffene durch eine LTX gewinnen können. Dabei wäre eine Steigerung der Lebensqualität in vielen Fällen vermutlich das bessere Ziel als das Erreichen einer größtmöglichen Überlebensrate im ersten Jahr, so die Autoren.

Spender ohne Risikofaktoren gibt‘s nur selten

Die nächste Frage betrifft den möglichen Spender. Als „ideale“ Charakteristika gelten u.a.
  • hirntote, beatmete Patienten bis zum 55. Lebensjahr,
  • unauffälliges Röntgenbild des Thorax ohne Infektionen,
  • gute Oxygenierung unter reinem Sauerstoff sowie
  • Nicht- oder Wenigraucher.
Doch die Realität sieht oft anders aus: Die meisten Spender weisen mindestens einen Risikofaktor auf.

Im Zweifel nur einen Lungenflügel verpflanzen?

In solchen Fällen können sogenannte erweiterte Donorkriterien zum Tragen kommen, schreiben Dr. Abelson und Prof. Glanville. Diese akzeptieren etwa auch Organe nach gesichertem Herz-Kreislauf-Stillstand oder Organe älterer Spender. Ein Pendant zum Lung Allocation Score im Sinne eines Risikoscores für Spenderorgane, mit dessen Hilfe Entscheidungen auf eine rationalere Basis gestellt werden könnten, exis­tiert derzeit nicht.

Den passenden Patienten fürs Organ zu finden, ist alles andere als leicht

Welcher Patient im Einzelfall für das Organ infrage kommt, ist ebenso umstritten. Hauptfaktoren, die eine Rolle spielen, sind Dringlichkeit, Alter, Größe und immunologische Kriterien. Die Bestimmung ist nicht leicht. So kann zum Beispiel eine vermeintliche Größenübereinstimmung von Spender und Empfänger gewaltig in die Irre führen: Bei chronisch obstruktiven Erkrankungen scheint die Thoraxhöhle vergrößert, bei restriktiven Erkrankungen dagegen verkleinert, sodass Transplantationschirurgen meist einen Mittelweg zwischen den Extremwerten wählen. Möglicherweise ist zukünftig die Einzellungen-Transplantation die Lösung für solche Fälle. Durch sie ließe sich gleichzeitig die Zahl der möglichen Spenderorgane deutlich steigern. Eines der glücklicherweise weniger umstrittenen Themen ist die Immunsuppression nach LTX: Die Patienten erhalten im Allgemeinen hoch dosiert Methylprednisolon, einen Calcineurininhibitor (Cyclosporin A oder Tacrolimus) und einen Zell­zyklusinhibitor (Mycophenolat-Mofetil oder Azathioprin). Der routinemäßige Einsatz einer Induktionstherapie (Anti-Thymozyten-Globulin oder Basiliximab) steht dagegen schon wieder auf der Liste der Kontroversen.

Transplantierte überleben nur etwa 5–7 Jahre

Auch wenn die Ein-Jahres-Überlebensrate nach Lungentransplantation mittlerweile bei über 90 % liegt, beträgt die Gesamtüberlebensdauer noch immer nur ca. fünf bis sieben Jahre. Für diese ungünstige Langzeitprognose ist vor allem die chronische Transplantatdysfunktion (CLAD) verantwortlich, erläutern die Spezialisten. Derzeit befasst sich die Wissenschaft vor allem mit der Behandlung des Syndroms. Viele, aber nicht alle Patienten sprechen gut auf Azithromycin an. Ein ganz anderer Ansatz ist die Endotypisierung, die bei Asthmaerkrankungen den Weg zu gezielteren Therapien geebnet hat. Sie könnte auch bei der Lungentransplantation zu einem tieferen Verständnis der Abläufe beitragen, das nötig ist, um die CLAD zu verhindern, so die Autoren abschließend.

Quelle: Abelson D, Glanville AR. Breathe 2018; 14: 278-287

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